Geschmackssache Sellerie

Kapitel zwei zu Küchenlust und Gaumenschmaus

© kameel - Fotolia.com„Jeder Mensch braucht Sellerie, der Eine spät, der Andre nie!“, hallte mir der markige Ruf eines Husumer Marktbeschickers in den Ohren. Er blieb hängen aufgrund der ihm innewohnenden Wahrheit.

Gestern erfuhr ich allerdings erst die tiefer liegenden Zusammenhänge, nämlich durch den hochgeistigen Vortrag von Prof. Dr. Dieter Mersch, zurzeit Dozent an der Universität von Potsdam. Es ging auf dem Landesfachtag Kunst auf Schloss Gottorf um die Rolle von Kunst als Weltzugang und ihre Nähe zur Philosophie in Gegenüberstellung zu den Naturwissenschaften.

Der „Sog“, den ein Kunstwerk auf den Betrachter ausüben kann, das Interesse, das erregt wird, weiterzudenken, entsteht demnach – sofern ich das richtig verstanden habe – durch ein Spannungsverhältnis zwischen Dargestelltem und Darstellungsweise/mittel, z.B. durch Dissoziation. D.h., etwas passt nicht, erregt Widerspruch, jedoch anders als ein simultan erscheinender Kontrast. In der Philosophie vergleichbar durch die Opposition von Sein und Nichtsein. Diese Abgrenzung durch Negation war im abendländischen Denken Jahrhunderte lang der Motor für die Gewinnung neuer Erkenntnisse.

Kurz und gut: Sellerie ist klasse, aber Geschmackssache.

Ich für mein Teil liebe die kräftige Knolle in allen möglichen Variationen und habe das Gefühl, dass sie mir gut durch die kalte Jahreszeit hilft.

Knorrig bleich ist ihr Wurzelgesicht und runzlig wie ein altes Kräuterweiblein oder ein Koboldkopf mit dunkelgrüner Punkfrisur. Nutzen sollte man für die Frische Suppe das kräftige Blattwerk. Aber Vorsicht: Zuviel davon gibt schnell einen bitteren Beigeschmack. Ansonsten schmeckt die gekochte Knolle eher süßlich und wird, so hart sie in rohem Zustand auch ist, doch nach relativ kurzem Kochen (ca. 20 min. bei Scheiben oder Stückchen) zart und weich, sodass sie auf der Zunge zergeht.

Kindern ist der Geschmack manchmal zu ungewöhnlich und ich kenne einige, die sehr darunter gelitten haben, ihre Suppe auslöffeln zu müssen, aber das war in meiner Jugend so: Man war froh über das Essen und musste dankbar sein, wo es doch so vielen anderen schlecht ging. Erst waren es noch die Flüchtlinge, später dann die armen Kinder in Afrika.

Männer haben, wenn sie eine Abneigung gegen Sellerie zeigen, vielleicht den Verdacht, dass die liebende Hausfrau sie manipulieren will, denn der Knolle wird ja seit je her eine „kräftigende“ Wirkung nachgesagt und da wird das Heimchen am Herd vielleicht doch der Hexerei am Kessel verdächtigt?!

Hier eines meiner Lieblingsrezepte, das ich von meiner Großmutter habe:

Oma Linas Sellerieklopse

500g geschälte und gewürfelte Kartoffeln
500g geschälte und gewürfelte Sellerieknolle
500g gemischtes oder reines Rinderhack

Das Gemüse entsprechend vorbereiten. Hack in einer Schüssel mit 1 Ei, 1 Zwiebel (fein gewürfelt) und 2-3 Esslöffeln Semmelmehl sowie schwarzen Pfeffer aus der Mühle, Salz und frisch geriebener Muskatnuss würzen, bzw. verkneten. Golfballgroße Klopse formen.

Alles in einen großen Topf schichten: 1. Kartoffeln, 2. Sellerie, 3. Hackbällchen.
Topf etwa zur Hälfte mit Wasser füllen, leicht salzen und zum Kochen bringen.
Dann bei geringer Hitze kochen lassen, bis alles gar ist (ca. 30 min., je nach Größe der Stücke und Klopse). Zur Sicherheit evtl. einen Klops heraus nehmen und halbieren.
Zum Schluss mit einem Butter-Mehl-Kügelchen sämig machen. Guten Appetit!

Andrea Claussen