Ich habe Rücken

Rückenschmerzen werden oft falsch behandelt. Die Behandlungserfolge sind mäßig, oft werden falsche Ratschläge gegeben.

In Deutschland leiden 70% der Bevölkerung mindestens einmal im Jahr unter Rückenschmerzen. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung sind nur 27 von 100 Patienten nach einem Jahr in medizinischer Behandlung schmerzfrei.

Als Problem erweisen sich die bildgebenden Verfahren, Röntgen, CT (Computertomogramm) oder MRT (Magentresonanztomogramm). Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Befund und Befinden. Die Fehldiagnosen nehmen mit dem Einsatz dieser Verfahren zu. Auch nach medizinischen Richtlinien wird zu viel geröntgt. 80% aller Röntgenuntersuchungen sind überflüssig. Nach einer Untersuchung der AOK haben von 100 ohne Röntgen untersuchte Patienten 65 nach drei Monaten anhaltenden Schmerz. Mit Röntgenuntersuchung war es 74 Patienten. Ganz abgesehen von der Strahlenbelastung.

In einer Schweizer Studie wurden Ärzten Röntgenbilder von Menschen zur Befundung vorgelegt. Keiner dieser Probanden hatte Probleme mit dem Rücken. Das erschreckende Ergebnis: ⅓ hätten danach sofort operiert werden sollen. Der Unterschied zwischen Befinden und Befund wurde hier besonders deutlich.

Und trotzdem glauben viele Ärzte diesen falschen Bildern. Viele unnötige Operationen sind die Folge. Besonders Orthopäden setzen die bildgebende Diagnostik im ersten Quartal der Erstdiagnose zu schnell ein, viermal so häufig wie sie von Hausärzten verordnet wird. Die Nationale Versorgungsrichtlinie empfiehlt bildgebende Verfahren erst nach sechs oder zwölf Wochen, wenn konservative Verfahren keine Besserung bringen.

In einer anderen Studie hatten 30% beschwerdefreie Menschen im MRT (Magnetresonanztomogramm) einen Bandscheibenvorfall, der allerdings keinerlei Beschwerden machte, von daher auch nicht behandelt werden müsste.

Bei den meisten Rückenschmerzen reichen Bewegung, eine chiropraktische Behandlung oder Physiotherapie völlig aus. Trotzdem empfiehlt die Hälfte der Ärzte immer noch Ruhe und Schonung, entgegen den wissenschaftlichen Empfehlungen und ärztlichen Leitlinien. Ein Großteil der Ärzte erklärt den Patienten, dass der Rücken verschlissen oder kaputt sei. Eine völlig inhaltsleere Behauptung, der Verschleiß des Rückens fängt schon mit dem 30. Lebensjahr an. Aber natürlich will jeder Patient bei seinen Beschwerden auch eine Ursache genannt bekommen. Wenn die Bilder nichts hergeben, flüchtet man sich in solche Scheindiagnosen. Vielen Menschen könnte außerdem geholfen werden, wenn eine anständige Befunderhebung gemacht werden würde. Erforderlich ist die Frage nach psychischen Krankheitsursachen, mentalen Belastungen oder Stress. 70% aller Rückenprobleme werden durch die Psyche verursacht oder mitverursacht. Der Volksmund bezeichnet es so: Jemandem sitzt etwas im Nacken, er hat Nackenschläge bekommen oder einer kann sein Kreuz nicht tragen. Die Vergütungen honorieren hier die falschen Ansätze, Gespräche müssten eine höhere Wertigkeit als die bildgebenden Verfahren bekommen.

Außerdem müssen Muskeln und Beckenstand untersucht und behandelt werden. Ursache häufiger Ischiasbeschwerden ist ein verhärteter oder verkürzter Gesäßmuskel (Piriformis), der auf den Ischiasnerv drückt. Mit Stoßwellen oder manueller Therapie lässt sich diese vielfach chronische Muskelverspannung lösen. Der Ischiasnerv läuft vom Rücken über das Gesäß bis in den Fuß. Beim Beckenschiefstand werden die Zwischenräume der Lendenwirbel zusammengedrückt. Der dort austretende Ischiasnerv wird auch hier mechanisch gereizt. Eine chiropraktische Beckenkorrektur kann hier oft sehr schnell Abhilfe schaffen.

Wolfgang Claussen