Survival of the fittest

70 nach 45. Frieden im Land?

Ausstellung in der Ehemaligen Synagoge in Friedrichstadt

In der Kultur - und Gedenkstätte Ehemalige Synagoge in Friedrichstadt luden Künstlerinnen und Künstler am Sonntag, dem 31. Mai zu Gesprächen und einem Rundgang durch die Ausstellung ein.

Die Veranstaltung wurde sehr stimmungsvoll von dem Bänkel- und Straßensänger Uze Oldenburg mit seiner Drehleier eröffnet. Die Klangfarbe dieses spannenden alten Instruments gab auch den Ton an, der während der folgenden zwei Stunden die Stimmung beherrschte: viel Nachdenkliches und Kritisches.

So las Renate Basten, die mit Jürgen Baum die Ausstellung organisierte, Texte von Erich Fried, die anwesenden Künstler stellten ausgewählte Bilder vor und das Gespräch drehte sich immer wieder um die Frage, wie "friedlich" unsere deutschen Verhältnisse tatsächlich sind.

Social War StationAnhand seines Bildes "Social War Station" (2014) erläuterte Dirk-Uwe Becker, Autor und bildender Künstler, das auf den ersten Blick ganz schlichte Foto.

Schauplatz ist der neue Bahnhof in Heide, eine steile Treppe, die auf einen Bahnsteig führt. Kein Mensch ist zu sehen; kalt und abweisend der Gesamteindruck.
Am Ende des Geländers das reincollagierte Schild "Social War Station". Der Bahnhof als ein Symbol des Krieges, der Soldaten und Munition transportiert, Menschen ins KZ brachte. Die These dieses Künstlers ist, dass die Entmenschlichung fortschreitet, dass neben den großen und heißen Kriegen in anderen Weltregionen die "kleinen" nicht unterschätzt werden dürfen: Kriege zwischen Familien und Ethnien, zwischen Arm und Reich.

Sehr eindrucksvoll ist auch eine digitale Montage von dem Künstler und Psychotherapeuten Dietmar Höhne mit dem Titel "Survival of the Fittest" (2005). Ihm war aufgefallen, dass nach den 60-Jahrfeiern zum Kriegsende scheinbar plötzlich Streifenanzüge inflationär in Mode kamen. Zwei seiner gesichtslosen Gestalten tragen diese Anzüge, vier die KZ-Uniform. In einer Männermode-Zeitschrift wurden die Nadelstreifen unter der Überschrift "survival of the fittest" beworben. Höhne ist überzeugt, dass hier Verdrängtes, der kollektiv verleugnete Schuldanteil am Holocaust in Erscheinung trat. In dieser Deutung wirkt der Titel makaber und lässt Assoziationen zu ("Täter in Nadelstreifen").

Gundula Sommerer mit der WeltkugelEine unendlich brüchige, müde und alt wirkende Weltkugel stellte Gundula Sommerer vor. Sie gab ihr den Titel "la grande guerre" (2014). Dieses Sinnbild für den Zerfall der Welt zeigt in der Mitte einen großen, irreparablen Riss und viele kleine Risse rundum. Aufgedruckt sind Fotos und Textausschnitte aus dem 1. Weltkrieg, die sich bräunlich-vergilbt kaum von dem Stein abheben. Im Innern der Kugel klackern abgebrochene Teile, wenn man sie in Bewegung setzt.

Jedes Bild in dieser Ausstellung erzählt verstörende Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart.
Sie ist noch bis Sonntag, 7. Juni geöffnet; freitags bis sonntags von 14 bis 17 Uhr.
Bis zum 31. Januar 2016 ist die Ausstellung in der Doris Rüstig-Ladewig Stiftung, Gallberg 30, 24837 Schleswig zu sehen.

Ulrike Zilius