Von Poussin bis Monet, die Farben Frankreichs

Entwicklung der französischen Malerei.

Natürlich waren es als erste mal wieder die Italiener, die der Landschaft eine Bedeutung gaben! Aus den zur Zeit der Gotik noch mit goldenen Sternen ausgestatteten monochromen Hintergrundflächen (vgl. Meister Francke, HH) entwickelte der spätmittelalterliche Maler Giotto als erster Landschaften, die zum erzählten Bibeltext passten.

Die in Italien bekanntlich 50 Jahre vor dem Rest Westeuropas einsetzende Renaissance brachte zunächst das private Portrait, gerne am Fenster oder auf einem Balkon, und dazu den Ausblick auf weite, meist schöne Fluss- oder Berglandschaften. Auf Albrecht Dürers Selbstportrait in schwarz-weiß gestreifter Tunika gibt es auch solch eine Landschaft. Die Mona Lisa (La Gioconda) sitzt direkt vor einer Landschaft im Sfumato (rauchig-neblig wirkende Farben). Leonardo schrieb bereits etwas über Lichtwirkung in der Natur.

Jean Étienne Le Bel Die meisten Exponate im Bucerius Kunst Forum gezeigten Ausstellung sind Leihgaben aus der National Galery of Ireland in Dublin. Der Rundgang beginnt mit italienisch beeinflusster Malerei des französischen Barock. Nicolas Poussin (1594-1665) ist mit fast reinen Primärfarben auf dem Bild "Die Heilige Familie" vertreten. Ähnlich strahlend die Blau-, Rosé- und Goldtöne bei Simon Vouets Vier Jahreszeiten. Ein Bild, das auch von der dramatisch eingesetzten Licht- und Schattenwirkung und dem Aufbau nach den Regeln der Bewegung und Gegenbewegung sofort als Barockmalerei zu identifizieren ist. Ähnliches gilt für Charles Le Bruns (1619-1690) Gemälde von Apoll und Thetis. Le Brun war Hofmaler des Sonnenkönigs, keine schlechte Karriere! Die Maler reisten in ihrer Ausbildungszeit nach Italien, wo sie Werke der Klassik und der Renaissance kopierten. Von den Fêtes champêtres, Jean-Baptiste Pater (1695-1736) und Jean Étienne Le Bels wandert der Betrachter über François Bouchers (1703-1790) arkadische Flötenstunde zu Jean-Honoré Fragonards (1732-1806) Allegorie des Morgens: Venus und Amor. Texttafeln geben wichtige Hinweise auf die jeweiligen geistigen Strömungen und ihren Einfluss auf Sujetwahl und Darstellungsweise. Zarte Grafiken veranschaulichen den Weg zum größeren Werk in dem Abschnitt "Idee und Skizze". Neben biblischen Motiven z.B. der Josephsgeschichte waren auch heroische Frauen der Klassik ein beliebtes Thema, so Porcia, die Frau des Brutus, die sich ihr Leben nahm, indem sie angeblich glühende Kohlen aß (Claude Vignon, 1630). Harmlos lieb dagegen Étienne Jeaurats (1699-1789) Chocolatière, das heiße Schokolade servierende Mädchen.

Claude MonetDie Abteilung "Moralische Malerei" zeigt arkadische Hirtenidylle (La Malice) und bürgerliche Genremalerei, eine Folge der Aufklärung, die zur Moralisierung der niederländischen Genremalerei führte. Natürlich, aber auch ein wenig sentimental kommt die französische Variante daher. Mein Lieblingsbild: Die kleine Schulmeisterin von Jean-Siméon Chardin (1699-1779).

Während bis zum 17. Jahrhundert Jagdstillleben Prestigeobjekte waren, wechselte der Standpunkt der Darstellung von der Abbildung der Beute zur subjektiven, von Mitleid mit der Kreatur geprägten Beobachtung des Malers. Superrealistische bis ins Detail perfektionierte Darstellung jedes Details und Materials wie Fell, Silberteller, Federn und Weintrauben finden sich zum Beispiel bei Alexandre François Desportes (1661-1730).

Etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts nehmen Historienbilder an Bedeutung ab. Stattdessen wird der Mensch dargestellt, wie er nicht der Willkür der Götter, sondern elementaren Naturgewalten ausgesetzt ist. Beliebtes Motiv: Segelschiff im Sturm, z.B. von Philippe Jacques de Loutherbourg (1740-1812) oder halb abgerissene Hängebrücken über gähnenden Gebirgsschluchten. Das Bedürfnis nach Action hat es neben dem frommen Wunsch nach religiöser oder moralischer Erbauung und dem mehr oder weniger versteckten Bedürfnis nach erotischer Anregung eben auch immer gegeben. Im digitalen Zeitalter spielt da Kunst nicht mehr dieselbe Rolle. Wohl aber noch in den späten (Neunzehnhundert)Sechzigern. Wolfgang Beltracchi ( né Fischer), der Künstler und Fälscher, verdiente sich als Schüler mit Skizzen nach Aktgemälden aus den Kunstbänden seines Vaters bei seinen Mitschülern ein ansehnliches Taschengeld...

Jean-Baptiste GreuzeDer nächste Abschnitt "Von Homer bis Rousseau - Tugendvorbilder" beschäftigt sich mit Malern der französischen Klassik, u.a. Napoleons Hofmaler Jean-Jacques David (1748-1825), François Gérard (1770-1837) und Eugène Delacroix (1788-1863), die Motive mythologischer Dichtung der Antike (Homers Ilias) bzw. gefälschte romantische Nachdichtungen (Ossian) bemühen und damit großen Einfluss auf die europäische Malerei nehmen, aber nicht wirklich mit Konkurrenz rechnen müssen. Interessant in dieser Reihe auch sehr zurückhaltend und zurzeit von schrecklicher Aktualität ist das kleine Gemälde von Eugène Fromentin (1820-1876), das eine orientalische Straßenszene nach einem Brand darstellt. Zwei Jungen liegen tot am Boden vor einer Mauer, zwei weitere haben überlebt...

Im Obergeschoss finden sich die Maler des Realismus und Impressionismus. Anfänglich noch der Versuch, gegen die Motivwahl und natürliche Darstellung zu polemisieren. Ein Beispiel des Historienmalers Thomas Couture (1815-1879), der auf seinem Bild "Die realistische Malerei" fast karikaturistisch den Maler an der Staffelei einen abgetrennten Schweinskopf portraitieren lässt.

Dann kommen die Großen: Gustave Courbet (1819-1877) und Jean- François Millet (1814-1875), die mit ihrer sanften Malerei tiefere Schichten des Individuums und der Gesellschaft "freilegen" wollen. Die unspektakuläre, nicht ausstaffierte Landschaft und die Arbeitswelt werden bildwürdig. Noch wird draußen skizziert und im Atelier gemalt. Jean-Baptiste Corot (1796-1875), wegen seines hervorragenden sozialen Engagements von den Impressionisten liebevoll Papa Corot genannt, stellt die bäuerliche Arbeitswelt und die lyrische Stimmung der französischen Landschaft mit weichem Pinselstrich und warmen Grün- und Ockertönen dar. Die späteren, im Atelier entstandenen Werke nennt er Souvenirs (Erinnerungen). Ansonsten malten er und seine Künstlerkollegen der Schule von Barbizon (1830-1870) schon hin und wieder unter freiem Himmel - plain air. Angeregt durch die englischen Landschaftsmaler John Constable (1776-1837) und Richard Parkes Bonington (1802-1828), die beide im Pariser Salon 1824 vertreten waren. Charles- François Daubigny baute sich selbst ein Atelierboot, von dem aus er seine Flusslandschaften malte. Um Constables Äußerung, nichts aus dem Gedächtnis sei so gut wie die Natur selbst, noch fortzuführen, suchte er besonders unspektakuläre Motive, als Beweis, dass man die Natur nicht poetisieren solle. Trotzdem wurden seine Bilder als poetisch bewertet.

Klar forderten die Impressionisten die Freilichtmalerei, da nur so die Wirkung des Farben erzeugenden Lichts annähernd wiedergegeben werden könne.

Auguste RenoirWir kommen zur letzten Runde: Auguste Renoir (junge Lesende in Weiß), Edgar Degas (Selbstportrait), Alfred Sisley ( Kleine Wiese in By), Claude Monet mit dem noch recht realistisch wirkenden Waldweg von 1865 und dem wesentlich freieren mit extrem rhythmisierten Duktus gemalten Hochwasser von 1881. Gustave Caillebotte wählte extreme Perspektiven und liebte die Grautöne des Regenwetters und verschneiter Landschaften und Dächer. Letzteres Motiv ist auch bei einem frühen Van Gogh (1886) zu sehen. Paul Cézanne lässt bereits 1876 das Mittelmeer bei L' Estaque farbenfroh mit großzügigem rhythmisierten Pinselstrich leuchten. Paul Signac tüpfelt seine Gattin auf herrschaftlicher Terrasse vor Lavendelfeldern in reinstem Pointilismus (1898): Die Farben sollen sich erst im Auge des Betrachters mischen.

Roderick O' ConnorAuch sehr eindrucksvoll - ein Freund Gauguins: der gebürtige Ire Roderick O' Connor (1860-1940), der hauptsächlich in Frankreich tätig war und ein Atelier Gauguins in der Bretagne übernahm. Wie dieser und Van Gogh zählt er zu den Spätimpressionisten, die Wegbereiter des Expressionismus wurden. Landschaften und Portraits, Akte, Stillleben und Interieurs von großer Leuchtkraft und interessantem, aber nicht immer gleichem Duktus.

Eine Ausstellung, die es sich zu besuchen lohnt. Bis zum 17.1.2016 ist das noch möglich.

Andrea Claussen