Roland Helmus (li.) im Gespräch 

Kultur in Husum

Mikroklima - Ausstellung im Husumer Rathaus

Ein kulturelles Ereignis besonderer Art bot sich den etwa 70 Gästen, die trotz zweier anderer attraktiver Veranstaltungen im Nissenhaus und im Speicher den Weg ins Husumer Rathaus gefunden hatten. Großen Beifall ernteten die beiden Schülerinnen, Rosalie Ueth/Husum und Ida Thiele /Flensburg, die nächste Woche als Gitarrenduo für den Wettbewerb Jugend musiziert antreten werden.

Rosalie Ueth (li.) und Ida ThieleSie begeisterten mit ihrem modernen, ja experimentellen Spiel von Lars Wuellers „Wicked Witches“ und unterhielten die Besucher auch später noch mit weiteren schönen Klängen von der oberen Brücke des Rathauses.

Mikroklima, so lautet der Titel der Ausstellung, den der Künstler Roland Helmus übergreifend für die dreiundfünfzig Arbeiten wählte, die er für das Husumer Rathaus zusammenstellte. Sie entstanden alle in den letzten fünf Jahren und stehen in einer langen Reihe künstlerischer Entwicklung.

Der 1952 in Darmstadt geborene Roland Helmus verbrachte seine Schulzeit in Hamburg. Nach dem Abitur studierte er von 1972 bis 78 an der HfbK in Hamburg. Ein Studienjahr verbrachte er in Wien an der Akademie der bildenden Künste als Schüler von Hausner. 1977 wurde Roland Helmus in Hamburg mit dem Almsinck-Preis geehrt und erhielt 1981 ein Stipendium für die Villa Massimo in Rom.

Neben seiner Tätigkeit als freier Künstler in Hamburg erhielt er Lehraufträge und Gastprofessuren an verschiedenen Hochschulen.Der Künstler kann auf eine beachtliche Anzahl von Ausstellungen zurückblicken, unter anderem auch 2006 im Schloss vor Husum.

Sieht man die ungegenständlichen Bilder eines Malers, so lautet häufig die erste Frage: Hat er immer schon so gemalt, oder hat er sich zu dieser Art der Darstellung hin entwickelt?

Hierzu gibt die von Dr. Uwe Haupenthal herausgegebene kleine Monografie „Roland Helmus - Orte und Echos“ Aufschluss.

Fasziniert beobachtet man den Werdegang eines begabten Malers und Zeichners im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert.

Vorausgestellt sei, dass es auch dem ganz jungen Roland Helmus immer um eines ging: äußere Wahrnehmung und innere Vorstellung des ausgewählten Bildgegenstandes in Einklang zu bringen. Wir verfolgen eine Entwicklung von einer anscheinend objektiv distanzierten Position des Künstlers zu einem ganz dicht herangehenden Blick und einer sich bis ins Haptische hin verdichtenden Technik.

Fast superrealistisch, aber ohne die Härte eines Harald Duwe wirken Helmus’ Bilder aus den Siebzigern. Ab 74 zeichnet er sowohl in Wien, als auch in Hamburg am anatomischen Institut. Schlaf und Tod erscheinen als wiederkehrendes Motiv. Bilder und Zeichnungen bestechen durch ihre Feinheit und nahezu altmeisterliche Malweise. Das Licht auf der Haut, der lebendigen, wie der toten, auf Tüchern und kahlen Wänden.

Dann verschwimmen zunehmend einige Partien, der Betrachter muss ergänzen.

Dieses Phänomen verstärkt sich in den Achtzigerjahren. Der Eindruck der Großstadt spielt eine Rolle. Angedeutete Straßenschluchten, Lichteinfälle. Die Farbigkeit bleibt zart, pastellig, zurückgenommen und erhält erst Ende der Achtziger kräftigere Akzente, die sich zu Beginn der 90er verstärken.

Jedoch setzen sich immer wieder farbige Grautöne als Basis durch. Als Motiv steht der Mensch im Vordergrund. Nicht als Portrait, sondern als Figur in einer Situation. 

Von 1993 an für etwa zehn Jahre füllt oder sprengt der Mensch vorwiegend allein mit bzw. in seinem Körper den Rahmen des Bildes.

Köpfe entstehen, deren Züge man anhand ihrer Farbigkeit mehr erahnt als erkennt.

Und doch funktioniert eine Art Wiedererkennung. Schwer zu erklären. Der Prozess findet auf einer anderen Ebene statt. Es obliegt dem Betrachter, sich auf diese Ebene der Kommunikation einzulassen, die Farben und Formen in sich aufzunehmen und die Plastizität zu erspüren. Die verhaltene, eigendynamische Ausstrahlung erzielt der Künstler technisch gesehen allein durch etliche Schichten mehr oder minder pastosen Auftrags der Ölfarbe.

Gut besuchte EröffnungDie im Obergeschoss präsentieren großformatigen Ölgemälde weisen nach einer vorangegangenen farbigeren Phase wieder eher die farbigen Grautönen der Arbeiten um die Jahrtausendwende auf. Nur unterscheiden sie sich durch den Bildaufbau maßgeblich: Es besteht bei fast allen keinerlei äußere Begrenzung. Die meist quadratische Bildfläche gleicht einem Blick durchs Mikroskop. Vielleicht durchs Makroobjektiv einer Kamera.

Was jedoch auf den ersten Blick lediglich interessanten Strukturen gleicht, entpuppt sich bei entsprechender Vertiefung des Betrachters als Mikrokosmos.

Jedes Bild hat ein ganz spezifisches Eigenleben und steht für sich, wenngleich es eindeutig in eine Reihe gehört.

Mikroklima ist als Titel noch eigener als Mikrokosmos. In einer - für das bloße Auge unsichtbaren -Welt gedeihen Organismen, die wir nur schwer einordnen können. Sie sind abhängig von einer bestimmten Atmosphäre. Hier existieren Spannungen und Schwingungen, die wir nur ahnen können.

Die Medizin und die Naturwissenschaften wissen mehr darüber, aber sie werden nie alles wissen. Immer wieder stößt der forschende Mensch an seine Grenzen. Und immer wieder fasziniert und reizt ihn genau das.

War das wissenschaftliche Erforschen doch immer mit Aufbruchsstimmung und Hoffnung verbunden: In der Renaissance, in der Aufklärung, um 1900. Noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg glaubte man, der technische Fortschritt könne Wohlstand und somit eine weltweite Friedensgarantie geben.

Aber so ist es nicht. Ständig stehen wir vor alten Problemen und neuen Rätseln. Was ewig bleibt, ist gleichsam auch immer wieder dasselbe in neuem Gewand: die Wunder der Ordnung in Natur und die Unordnung im Kopf des Menschen. Und unser Drang, uns damit auseinanderzusetzen. Schleier zu lüften, Geheimnisse zu entdecken, Zusammenhänge zu verstehen, nur um dann wieder zu erkennen, dass alles aus dem Chaos kommt und vermutlich auch wieder dort enden wird. "Hier steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor."

Mit der Kunst können wir andere Wege gehen, anders erfassen. Der Künstler Roland Helmus ist einer von jenen, die uns dabei helfen, eigene, andere Zugänge zur Auffassung von Leben zu finden. Seine Bilder machen auf eine spannende und kribbelnde Art neugierig, versprechen, den Erfahrungshorizont ein Stückchen zu erweitern.

Die Ausstellung ist noch bis zum 11.03.2016 zu sehen. Eine Führung mit Roland Helmus ist am Samstag, dem 27.02. um 14.30 Uhr.

Andrea Claussen
Fotos: Rainer Ueth