KiC - Wo bleibt der Kick?

Die NordArt 2012 ist einer der offiziellen Austragungsorte des Chinesischen Kulturjahres in Deutschland

Kunst in der Carlshütte, das ist eigentlich ein Ereignis, worauf man sich jedes Jahr wieder freut und das auf jeden Fall seinen Platz im Terminkalender findet. Kunst satt. Plastik aus dem Vollen. Malerei aus fernen Ländern. Überraschende Installationen und Objekte. 240 Künstler aus 49 Ländern präsentieren ihre Werke in den riesigen Gießereihallen.

Perfektes AusstellungsambienteUnd nun?

Na ja. Schon schön, schon viel. Schön bunt. Aber nur weniges bewegend.
Natürlich ist der Skulpturengarten super. Aber irgendwann kennt man das meiste schon. Es wird dadurch nicht schlechter. Aber automatisch widmet sich der Besucher dann eher den neuen Dingen.
Gelungen - die Raumaufteilung mit Wasserflächen, deren Spiegelung der alten Hallenkonstruktion schon ein Augenschmaus für sich ist. Auch das grünliche Licht mit passendem Kiesboden oder die Aufstellung der tönernen Krieger im ruinenhaften Kellerbereich. Darüber Faltschiffchen, wie wir sie früher aus Zeitungen bastelten, die Weiterentwicklung des Hutes. Aber aus Stahlblech und richtig groß!


LaserausschnitteMit der Holzaxt dagegen die hellen Skulpturen. Aus dem ganzen Stamm gehauen wirkten sie zwar fremd, aber interessant. "Daneben" allerdings erschien mir der "Waldstuhl". Spannend ein in dünnen Fäden von der Decke hängender Riesenstoßzahn. Witzig ironisch die aus England stammenden Teppichobjekte in Form von Jagdtrophäen. Schade: dort, wo die anrührenden japanischen Origami-Objekte auf stillem See schwammen, schwebten jetzt grellgrüne aufblasbare Plastikschwimmtiere vor fotografiertem Wüstenhintergrund. Interessant hingegen die Laserausschnitte aus Stahlplatte von Fu Zhongwang. Masse/Mensch?

Kunst ist natürlich auch Geschmackssache. Überraschend, wenn ein Künstler den von ihm gemalten sitzenden Männerakt selbst schon mit "igitt!" betitelt. Gut, gab es schon. Aber die anderen Bilder der ans pornografieverdächtige grenzenden Serie hatten keine kritischen Titel.
Ich hatte das Gefühl, dass der Mensch schon eher im Mittelpunkt der Ausstellung stand als in den vergangenen Jahren. Da malt und übermalt man Gesichter (Sia Aryai z.B.), Fabeltiere bevölkern ein Triptychon. Derer gab es auch mehrere. Eine Plastik wirkte wie eine Figurengruppe aus Hieronymus Boschs Triptychon plastisch geworden für die Herstellung eines Fantasy-Streifens.

Übermalte Gesichter von Sia Aryai

Es schockten aber einige extrem kitschige Produkte aus Wachs (Kindergruppe an der Ampel - meine Betitelung) und vor allem die weiße Doppelplastik, wo ein Mann dem anderen in den Brustkorb greift. Mit rotem Blut und Glasaugen, ansonsten in barockem Marmorweiß.
Anderes grob gespachtelt, überdimensionale Köpfe. Die Farbe im Kontrast zur Spachteltechnik stellenweise ungezielt (?) heruntergelaufen. Dann schon eher die Antikriegsbilder mit immer demselben Modell und Spielzeugpanzer, Stahlhelm als Essgeschirr (Titel: Das Abendmahl), mal mit, mal ohne malerischem Bezug zum Rest des Bildes. Oder richtig toll, die Gesichterreihen von Geng Yi, wie Fliesenmalerei wirkend, die bei den Teppichteilen hingen.
Spannend von der Idee, aber in der fotorealistischen Perfektion eher ermüdend, die Interieurs in Glasfußboden-Perspektive von Michael H. Rohde, als pigmentierter Inkjet-Print.

Spanngsreich aufgebaut, die Heuballen von Bernd KoetherNur technisch faszinierend die großen Seestücke mit pigmentierter Tinte auf Leinwand. Für mich Brillanz ohne Aussage. Wesentlich spannungsreicher und technisch perfekt die Malereien von Bernd Koether, z.B. Heuballen, oder, lockerer gemalt, die Spiegelungen von Rolf Löhrmann.

Aus China und Korea entdeckte ich diesmal mehr als aus den baltischen Ländern. Polen war mit einigen beeindruckenden Werken vertreten. Einiges spiegelte traditionelle asiatische Malerei, anderes kämpfte mit der Umformung des sozialistischen Realismus und der Eroberung der informellen Malerei.

Unterm Strich gab es doch so einiges zu sehen, und doch, das Bild, das ich zuerst sah, fesselte mich am meisten: ein junger mongolischer Reiter(Gan-Erdene Tsend), der ein zweites Pferd führt. Irgendwie authentisch und atmosphärisch korrekt. Hätte Kitsch werden können, ist es aber nicht.
Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Das Ausstellungscafé „Alte Meierei“ hält viele leckere Kuchen und eine umfangreiche Speisenauswahl bereit. Man muss zwischendurch auch mal Pause machen.

Die Ausstellung im Kunstwerk Carlshütte in Büdelsdorf/Rendsburg dauert noch bis zum 30.09.2012, geöffnet mittwochs - sonntags von 11 bis 19 Uhr.

Andrea Claussen