Nach den Anschlägen von Paris

Jetzt sind wir betroffen, entsetzt, traurig. Unfassbar, was da in Paris wieder passiert ist. Jetzt rücken wir wieder alle ein wenig enger zusammen. Wer kann, stellt irgendwo Grablichter auf. Die Anteilnahme vermag die Angehörigen der Opfer vielleicht etwas trösten.

Und dann? Dann vergessen wir das alles wieder. Und eines werden wir ganz sicher nicht tun. Wir werden nicht fragen, wer dafür auch mit verantwortlich ist. Wir werden uns damit zufrieden geben, dass es islamistische Terroristen waren. Und die haben mit ihrem Leben dafür gebüßt - gut so.

Al Kaida war eine Folge des russischen Einmarsches in Afghanistan. Osama bin Laden hat in Pakistan Mudschaheddin zur Unterstützung des afghanischen Widerstands rekrutiert, von den Amerikanern mit Waffen und Geld unterstützt.

Der IS formierte sich 2003 aus Mitgliedern von Saddam Husseins Geheimdiensten. Und wenn es einmal begonnen hat, kann man es nicht so einfach zurückdrehen, auf beiden Seiten nicht. Es wird uns noch lange begleiten, es gibt keine einfache Lösung.

Die Angst vor Ausländern wird noch größer werden. Sippenhaft. Die Rechten werden mit ihren bequemen Antworten mehr Zulauf erhalten. Ausländer raus - Grenzen dicht. Was sie nicht berücksichtigen, die Terroristen sind längst hier.

Die Medien werden sich darauf stürzen, Brennpunkte und Sondersendungen. Unsere Politiker werden uns ihre Betroffenheit, ihr Entsetzen mitteilen wollen. Täglich, stündlich werden wir wieder die gleichen Bilder vorgesetzt bekommen, ohne neue Erkenntnisse. Das Leid im eigenen Land sollen wir sehen, Angst sollen wir bekommen und Verständnis für die Notwendigkeit, weiter Krieg zu führen. Jetzt erst recht. Die Bilder der ausgebombten Zivilbevölkerung in den Kriegsgebieten zeigen sie uns nicht. Da machen sie uns glauben, dass dort mit chirurgischer Präzision Terroristen weggebombt werden, mit Kampfjets und Drohnen.

Die Todesfratze des Krieges kriecht in unsere Wohnzimmer. Man kann nicht auf der ganzen Welt Kriege anzetteln und dann davon ausgehen, dass unsere beschauliche Ruhe davon nicht betroffen sein wird. Weitere Millionen Menschen werden noch aus den Kriegsgebieten fliehen und an unsere Tür klopfen. Wir werden ihnen helfen müssen.

Die Pariser Anschläge mit der Flüchtlingsproblematik zu verknüpfen, ist äußerst unredlich.

Wolfgang Claussen