Heiße Sommertage

Ein Besuch im Eiscafé

Sommer. Heiß heute. Eine gute Gelegenheit, einige Zeit in einem Eiscafé zu verbringen. Zum Glück wird gerade ein Tisch frei. Die Kellner leicht gestresst, es ist viel zu tun. Dann endlich: „Wir möchten gerne etwas bestellen.“ - „Komme gleich, voll heute.“ Einige Zeit später steuert er auf unseren Tisch zu. Darauf die erboste Stimme des Herrn vom Nebentisch. „Wir waren zuerst hier!“ Waren sie zwar nicht, wir haben den Kellner an den Nebentisch ziehen lassen. Was soll man sich mit Leuten herumärgern, die passend zu ihrer dicken Plauze auch noch mit Bayern München-Trikot und Kappe gekleidet sind. Das schneeweiße Mondgesicht blickt seine Begleitung triumphierend an. Ich denke mal, sie wird ihn jetzt bewundert haben, ihren dicken roten Klops.

Nach einiger Zeit steuert eine Kellnerin unsere Bestellung balancierend auf den Nebentisch zu. Ich hatte es bereits erwähnt, heiß heute. Auf unseren Hinweis, dass sie unsere Eisbecher auf dem Tablett habe, ändert sie ungläubig ihren Kurs, die Zweifel deutlich in ihr Gesicht geschrieben. Da vom Nebentisch kein Protest kommt, erhalten wir unser Eis und die Getränke.

Jetzt nehmen uns die lauten Gespräche an den Nebentischen gefangen. Entsetzlich, welche Krankheiten es gibt. Aber doch schön, dass es fantasievolle Menschen gibt, die die Krankheitsbilder so plastisch und ausführlich beschreiben können. Und da andere an dem Tisch auch von solch’ gräulichen Dingen berichten können, werden weitere blutige oder ekelerregende Anekdoten zum Besten gegeben.

Zwischendurch von einem anderen Nebentisch, eine Dame, mit leicht sich überschlagender Stimme: „Kellner, ich habe vorhin bei ihrem Chef eine Bestellung aufgegeben.“ Beim Chef, oha. Sofort zieht der Kellner seinen Kleincomputer zurate und bestätigt den Eingang der Bestellung. Die Dame wendet sich seufzend ab. Heiß heute.

Die jungen Leute am anderen Nebentisch hocken da fröhlich plappernd, den Blick immer auf ihre Smartphones gerichtet. Es wird von tollen Feten berichtet, gesoffen und gekotzt hat man. Ich habe gar nicht gewusst, dass auch das so ausführlich dargelegt werden kann. Annika hat mit Kilian was angefangen, obwohl die immer behauptet hat, dass sie Kilian blöd fände und mehr auf Kevin stünde. Interessant, wer wen nicht ausstehen kann. Und rücksichtsvoll, andere Gäste an diesen wichtigen Begebenheiten teilhaben zu lassen.

Währenddessen schieben sich eine Reihe von Wurstpellen an uns vorbei. Nein, keine Dicken, sondern nahezu unbewegliche Berge, die ihren prachtvollen Körper Speckrolle für Speckrolle eng verpackt präsentieren. Ja, ja, die Mode....

Schön auch die rundliche Dame im Restaurant, die den Kellner anranzt, dass zu den zwei dicken Sahnestücken der Süßstoff für den Kaffee fehle. Man achtet schließlich auf seine Linie, oder?

Überhaupt die Smartphones, sind sie nicht eine wunderbare Erfindung? Überall kann man seine dringenden Telefonate führen. So wie der langhaarige Kerl, der dringend einen Arzttermin wünschte, und nein, an den psychologischen Notdienst werde er sich nicht verweisen lassen. Der Termin sei wichtig, er könne ausführliche Unterlagen mitbringen. Es sei wichtig, er benötige unbedingt einen Termin und nochmals, der psychologische Notdienst käme nicht infrage. Weitere Details seines Leidens wurden lautstark ausgebreitet, mit seiner etwas schnarrenden Altstimme. Irritierend allenfalls, als er aufstand, hatte er ein Kleid an. Wie kann eine Verwandlung so plötzlich vonstatten gehen?

Heiß war es. Ich glaube, das hatte ich aber bereits erwähnt. Einige Wochen Sommerwetter sind auch nicht für alle zumutbar.

Eine Beobachtung von Wolfgang Claussen