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Das Verschwinden der Moral
Kultur soll ja wichtig sein. Zur Kultur gehören Dinge, die der Mensch verändert hat, umgeformt, Materie, z.B. in der Technik oder in der Bildenden Kunst. Dazu gehören auch geistige Dinge wie Sprache, Musik, Religion, Wirtschaft, Wissenschaft oder Moral.
Kultur kann man beschreiben oder als einen Anspruch sehen, der zu erfüllen ist, wie die sogenannte Leitkultur.
Entwicklung macht Angst. Angst kann man mit Vernunft begegnen, oder eben auch nicht. Kultur beinhaltet aber Entwicklung. Der Mensch schafft neue Dinge oder Umstände, die von dem bisher Gekannten stark abweichen können. Angst gibt den Populisten eine breite Plattform, die sie für ihre eignen verführerischen Zwecke nutzen kann. Rassismus ist in jeder Gesellschaft latent vorhanden. Und genau hier haben die Parteien versagt, insbesondere die SPD, die Grünen und die Linke. Statt sich über diese „Deppen“ lustig zu machen, hätte man frühzeitig den Dialog suchen müssen. Hier ein paar Euro mehr für die Rente, dort der lächerliche Mindestlohn oder die Prahlerei mit geschönten Arbeitslosenzahlen, alles ganz nett, aber bei weitem nicht ausreichend. Wir haben einen Paradigmenwechsel: Nach Krieg, Wirtschaftswunder und dem Aufbau weltweit vernetzter Großkonzerne und Geldsysteme sind die Menschen jetzt auf sich selbst gestellt. Sie müssen eigene Entscheidungen treffen, eigene Verantwortung übernehmen, etwas, was man ihnen lange Zeit abgenommen hat. Heute ist ein Großteil nicht mehr in der Lage, die eigene Freizeit selbst zu gestalten: Vergnügungsparks, Animateure im Urlaub und andere Mitmachangebote. In den Internetforen tauchen ständig Fragen auf: „Was können wir an diesem Wochenende mal mit unseren Kindern unternehmen?“ Die Verantwortung für das eigene Leben haben gefälligst andere zu übernehmen. In einer derart stupiden Weltsicht macht jede Veränderung noch mehr Angst, als es ohnehin schon der Fall ist. Und es sind nicht nur Altersarmut oder Niedriglöhne, welche die Menschen an den rechten Rand rücken lassen, hier geht es „nur“ ums Geld. Die Menschen wollen Ordnung und Führung. Was sie aber eigentlich brauchen, sind Vorbilder. Die großen Konzerne arbeiten gewinnmaximiert, frei von jeder Moral. Menschen sind ein Kostenfaktor und die Umwelt ist der Feind. Politiker sind fest mit den Lobbyisten dieser Moloche verbandelt. Vertreter von 400 Unternehmen besitzen Hausausweise für die Dienstgebäude des Bundestages. Über 5000 Lobbyisten geistern durch Berlin. Moral findet auch hier keinen Platz, es geht um knallharte Geschäfte. Der „ehrbare Kaufmann“ ist ein Relikt längst vergangener Zeiten.
Unsere Kultur hat sich unaufhaltsam weiterentwickelt, Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland. Die Politik hat die Notwendigkeit gesehen, dass unsere Wirtschaft ausländische Arbeitskräfte braucht. Sie hat aber übersehen, dass damit fremde Kulturen zum Bestandteil Deutschlands wurden. Darum hat man sich nie gekümmert, so sind Ghettos entstanden und es haben sich Parallelgesellschaften gebildet. Man hat sie gewähren lassen. Es gibt Stadtteile, in denen ausländische Clans die Gesetze machen. DHL weigert sich, in bestimmten Gegenden Pakete auszuliefern.
Kant sieht die moralische Fähigkeit des Menschen zum kategorischen Imperativ: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Es ist der Leitsatz des moralischen Handelns, ohne den nur noch eine technologische Weiterentwicklung möglich ist. Und genau das fordert die Politik nicht ein und lebt es auch nicht vor. Der Kulturphilosoph Egon Friedell stellte dazu folgende These auf: „Kultur ist Reichtum an Problemen.“ Diese Probleme sind nicht mit Geld zu lösen, bei aller sozialen Ungerechtigkeit in dieser Gesellschaft.
Und was macht die christliche Kirche? Sie, die vorgibt, die Verkünderin der einzigen Wahrheit unserer christlich-abendländischen Kultur zu sein? Sie betreibt Nabelschau, wie immer. Verzweifelt klammert sie sich an ihre Dogmen. Auch wie immer. Die Zeiten, in denen sie Macht über die Menschen und die Politik hatte, sind vorbei. Gott sei Dank, mag man sagen. Das waren keine besseren Zeiten. Jetzt sind die Kirchen leer, es erwartet auch niemand Antworten von den Heilsverkündern, mit ihrem drohenden und strafenden Gott. Ein Glaube, der verlangt, dass man für alles Gute zu danken hat und alles Schlechte ebenfalls dankbar annehmen muss, hat die Zeitenwende verpasst. Bergpredigt hin oder her.
Die Kultur zerbröckelt. An ihre Stelle treten Hass, Wut und Hoffnungslosigkeit. Die Populisten übernehmen die Meinungshoheit über den Stammtischen, die Spaltung der Gesellschaft wird weiter vorangetrieben.
Wolfgang Claussen