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Yesiden, eine fast 5000 Jahre alte Religion
Dr. Kamal Sido und Hayrî Demir informierten und diskutierten
Der Speicher war voll, als gestern Abend zum Vortrag über das Thema Yesiden ( Êzîden) von "Fremde brauchen Freunde" eingeladen worden war. Und es war ein gut gemischtes Publikum, das sich dort eingefunden hatte, nicht nur die üblichen bekannten Gesichter der zu diesem Thema engagierten Husumer, sondern auch alte und junge Kurden. Denn die Yesiden sind alle Kurden, aber das gilt nicht umgekehrt. Zu lange hat die religiöse und politische Unterdrückung gewütet, verstärkt während der letzten 500 Jahre, also seit dem Osmanischen Reich.
Ohne eine internationale Lobby, auf deren Hilfe zum Beispiel die Christen oder Juden zurück greifen können, stand die kleine Volksgruppe der Yesiden praktisch allein da. Es handelt sich bei dem Yesidentum nämlich um eine ethnische Religion, so etwas wie eine Stammesreligion. Das ist für den modernen Mitteleuropäer auch ziemlich schwer nachzuvollziehen, aber religiöse Identität und Abstammung sind hier nicht von einander zu trennen. Nur, wenn beide Elternteile Yesiden sind, kann das Kind Yeside sein. Diese strengen Nicht-Vermischungsgestze dienten dem Überleben im Untergrund und der Reinerhaltung der Lehre, die mit den Sitten und Gebräuchen noch viel strenger verbunden ist, als wir es uns heute vorstellen können. In den Zeiten der Verfolgung konnte sich da auch nichts weiterentwickeln. Wer um seine Existenz bangen muss und seit den Zeiten Zarathustras als Teufelsanbeter verachtet und verschrien, wenn nicht sogar entführt, zwangsmissioniert oder umgebracht wird, der macht sich erst mal keine Gedanken über veraltete Strukturen oder "Liebesheiraten" mit dem "Feind".
Das wird sich aber in der neuen Situation wohl auf Dauer nicht leben lassen. Noch schweißt die umgebende Fremde die kleine Gemeinde zusammen. Aber das Leben findet in Freiheit und in einer doch ziemlich toleranten Umgebung statt. Hinzu kommt, dass die Yesiden einen sehr friedlichen und toleranten Glauben haben. Sie wollen und können gar nicht missionieren. Man kann nicht Yeside/in werden. Wenn sie sich nicht unter einander vermehren, sprich alle ganz viele Kinder bekommen, sind sie vom Aussterben bedroht. Hinzu kommt das Problem, immer genügend yesidische Partner zu finden, mit denen sie nicht verwandt sind. Und während sie in einigen Ländern inzwischen ungestört ihren Bräuchen und ihrem Glauben nachgehen können, sind sie in vielen arabischen Ländern immer noch bedroht. Zudem wird ihre Religion immer nur mündlich weiter gegeben, und zwar auf indoiranischem Kurdisch, übrigens einer indogermanischen Sprache.
Wird sich diese auf Dauer hier in der fremden Umgebung halten können? Es ist keine leichte Situation. Selbst bei Lockerung der Gesetze wäre es schwer und das Erlernen der Sprache müsste bei einer gewünschten Konvertierung (Glaubenswechsel) zur Bedingung gemacht werden.
800 000 Yesiden leben weltweit. 550 000 im Irak, 300 000 in der Türkei, 5000 in Syrien, 1200 in Georgien, 50 000 inzwischen in Deutschland. Sollte sich jetzt bei den Yesiden in Deutschland aufgrund der freiheitlichen Umgebung etwas ändern, so käme es unweigerlich zu einer Spaltung der Religion. Ähnliches hat die christliche Kirche, aber auch der Islam auch erlebt, bloß da gab und gibt es mengenmäßig ein ganz anderes Potential. Die Yesiden meinen zumindest zurzeit noch, dass sie sich Reformen nicht leisten können. Trotzdem werden Kinder, die nicht yesidisch heiraten, nicht grundsätzlich von der Familie verstoßen. Allerdings können sie auch dem Glauben nicht mehr angehören, was schade ist, denn der macht an sich einen sehr sympathischen Eindruck.
Er kommt aus dem Babylonischen und ist streng monotheistisch. Es gibt einen guten Schöpfer (Chode=Gott), dem sieben Erzengel auf der Erde helfen, die von dem Engel "Pfau" (Tawisî Melek) angeführt werden, der sich durch besondere Treue zu Gott ausgezeichnet hat. Der Pfau (siehe Pfauenthron des Schahs) symbolisiert die Königswürde. Menschen, die in ihrem Leben mehr Gutes als Böses getan haben, kommen ins Paradies, die anderen werden wiedergeboren. Einen Teufel und eine Hölle gibt es nicht, auch keine Gebetshäuser. "Die Erde ist Gottes Haus und beten kann man, der Sonne als Symbol Gottes und des Lebens zugewendet, wann und wo immer man das Bedürfnis dazu hat. Der Yeside ist verpflichtet, seinen Verstand zu gebrauchen, um zu entscheiden, welches Verhalten gut und welches böse ist! Das Ziel ist, ein guter Mensch zu sein. "Die Wahrheit ist der Weg Gottes." Lug und Trug sind demnach Sünde. Ebenso Gewalttätigkeit. Andere Religionen werden respektiert als Teil der göttlichen Wahrheit. Das hört sich ein bisschen nach Freimaurertum an. Wer andere diskriminiert, verachtet Gott. Ein „Jenseitspate“, der auch anderen Geschlechts oder anderer Religion sein kann, wird gewählt, damit er auf den anderen moralisch Acht gibt und später vor Gottes Gericht ein gutes Wort für ihn einlegt. Heilige Zahlen sind z.B. 18000 für die Geschöpfe und 72 für die Völker der Erde, die in die Gebete mit eingeschlossen werden. Religionsvertreter, Seelsorger gehen von Haus zu Haus, zu den großen Festen kommt man zusammen. Und zum Neujahrs/Frühlingsfest gibt es bemalte Eier und Freundschaftsbänder. Das größte Fest ist die Hochzeit, weil, na, das ist ja klar.... Allerdings existiert ein Heiligtum, Lalish, das Grabmal des Sheik Adi ben Musafiz (1160 gest.) im kurdischen Freistaat auf dem Gebiet des Irak.
Doch ist auch der yesidische Glaube trotz aller Selbstbehauptung im Untergrund von fremden Einflüssen nicht verschont geblieben. Zum Beispiel die männliche Beschneidung hat sich durch den allgemeinen Einfluss im Orient auch bei den Yesiden verbreitet. Ebenso hat sich die Rolle der Frau leicht verändert. In den "Texten" ist davon nicht die Rede. Gleichberechtigung ist Gebot, z.B. war auch schon mal eine Frau, Meyan Xatûn, um 1900 herum für 18 Jahre das religiöse Oberhaupt. Jetzt gibt es Bestrebungen, die Lehre von den erzwungenen Einflüssen zu befreien und zum Ursprung zurück zu kommen. Die Zeit wird zeigen, was gut und was möglich ist.
In Anschluss wurden viele interessierte Verständnisfragen gestellt und beantwortet. Es kam aber auch zu Kritikpunkten. Eine Dame sprach von Begegnungen mit psychisch unter Druck gesetzten Jugendlichen bezüglich der Heiratsfrage. Sie nannte Fälle von geistiger Behinderung aufgrund von Cousinenheirat.
Es gibt Berater in den religiösen Zentren in Oldenburg und Celle, aber hier eben nicht. Hier sorgt der Shêx der Gemeinde für Ordnung und Verständigung. Der Pîrê ist ein religiöser Führer. Sie kümmern sich um das Mirîd, das normale Volk. Und auch diese Gruppen dürfen übrigens nicht unter einander heiraten.
Natürlich ist das etwas, was die Integration erschweren könnte, aber davon ist eigentlich in der Schule z.B. nicht viel zu merken. Wir kennen unsere yesidischen Schülerinnen und Schüler als aufgeschlossene junge Leute, die sich gut in die Klassengemeinschaft einfügen.
Mehr kann man unter folgenden Adressen erfahren:
www.ezipedia.de und www.yesidische-jugend.de
Andrea Claussen
Wie uns berichtet wurde, hat der Vergleich mit den Freimaurern zu Irritationen geführt.
Lesen Sie dazu unseren Artikel über die Freimaurer. Vielleicht wird die Grundlage des Vergleichs damit deutlich. Gemeint sind sicherlich nicht Dinge, wie: Geheime Rituale oder Verschwörungen, die in vielen Köpfen damit verknüpft ist. Sondern Aussagen wie: Ein Freimaurer ist ein freier Mann von gutem Ruf, der seine Neigungen zu überwinden und seine Handlungen den Gesetzen der Vernunft zu unterwerfen weiß.
(Redaktion NfI)