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Harald Duwe im Schloss Gottorf
Eine Reise in die Sechziger- und Siebzigerjahre
Harald Duwe war für uns politisch engagierte Kunststudenten in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre in Kiel ein Begriff. Einer, zu dem man aufschauen konnte, ein echtes Vorbild.
Davon gab es kaum zeitgenössische. Er war gut. Konsequent und unbestechlich hielt er der Gesellschaft den unbequemen Spiegel vor die Nase. Wie nur wenige seiner Generation. 1926 in Hamburg geboren, war er Jugendlicher (13), als der Krieg begann. Beendete seine Lithographenlehre in Leipzig 1945 und beginn im selben Jahr ein Studium an der HfBK in Hamburg. Um seine fünfköpfige Familie zu ernähren, produzierte der begabte Portraitist eine Reihe von Auftragsarbeiten, die er, ebenso wie die weniger nachgefragten Landschaftsbilder, bewusst von seinem eigentlichen künstlerischen Schaffen trennte. Das gelang ihm zum Teil, denn die Landschaften aus den Fünfzigern unterscheiden sich stilistisch minimal von denen der Achtziger. Leider erlag der Künstler 1984 den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Die Meisterlichkeit seiner Portraitmalerei kam ihm selbstverständlich bei seinen großen gesellschaftskritischen Genrebildern zugute. Ganz deutlich zeigt sich die Entwicklung in der auffällig langen Reihe der Selbstportraits in verschiedenen Techniken, grafisch und malerisch, und zu unterschiedlichen Anlässen. Ein Beispiel: Mit SPD Ausweis zur Kampagne der "Wählerinitiative" zahlreicher Künstler für die Kandidatur des "roten Jochen" (Steffen) in SH.
Die von Dr. Christian Walda für das Landesmuseeum Schloss Gottorf kuratierte Einzelausstellung trägt den ironischen Titel "Heile Welt". Durch die treffende Einteilung und die Hauptaussagen in Form von Überschriften oberhalb der Bilderreihen lässt sich die Entwicklung des Malers leicht nachvollziehen. Hilfreich sind auch das vom NDR zur Verfügung gestellte Interview zum Thema Realismus und ein Video, das Duwe als Lehrer zeigt, in dem er demonstriert, wie aus " geometrischen Körpern" und "Lichtwirkung" ein Auto konstruiert wird. 1964-1977 lehrte Duwe räumliches Darstellen an der damaligen Ingenieursschule für Fahrzeugtechnik in Hamburg. Seit 1975 gehörte er dem Lehrkörper der Kieler Muthesiusschule an.
Zu zahlreichen älteren Arbeiten hat Duwe Anfang der Achtziger noch ein Mal schriftlich Stellung genommen, sodass der Betrachter anhand der den Bildern zugeordneten Textkärtchen tatsächlich einmal die Gelegenheit hat, nachzuvollziehen, was " der Künstler sich dabei gedacht hat".
Besonders hervorzuheben sind natürlich die Bilder, die sich normalerweise in Privatbesitz befinden, wie z.B. das "Abendmahl", ein großes Gemälde, das den Künstler und seine Kollegen/ Freunde um einen Tisch versammelt zeigt, der den Leib Christi nebst blutgefüllten Weingläsern als Mahlzeit präsentiert. Nehmet hin... - wörtlich genommen. Duwe war nie einer, der vor Hässlichkeiten zurückschreckte und sehr wohl einer, der gerne mit Grausigem schockierte. Extrem kommt das in seinen Körperbildern zum Ausdruck, z.B. "eine Krone aus Fleisch", die ihre inhaltlich markantere Fortsetzung finden in dem Zyklus "Gewalt", der den Naziterror schonungslos anprangert. Die Fünfziger- und Sechzigerjahre waren geprägt von Verdrängung, vom Vergessen- und Nicht-Mehr-Daran-Erinnert-Werden-Wollen, was in den 12 Jahren Naziherrschaft verbrochen worden war.
Aber auch die Konsum- und Überflussgesellschaft, der Beginn der „Erholungsindustrie", neue Kriege, Umweltverschmutzung und Abgestumpftheit, Demonstrationen und Staatsgewalt sind Themen des Künstlers, der mit seinem Werk für immer ein eindrückliches Bild der Gesellschaft in jener Zeit gezeichnet hat.
Die Ausstellung ist nur noch bis zum 30.10.2016 verlängert.
Andrea Claussen