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Surreale Begegnungen
Ausstellung noch bis zum 22.1.2017 in Hamburg
Einen breit gefächerten Überblick über die surrealistische Szene und ihr Zusammenspiel bietet mit zahlreichen namenhaften Werken, auch aus Privatbesitz, und einer Reihe beeindruckender Publikationen, Notizen, Fotografien und Skizzen die derzeitige Ausstellung in der Abteilung Kunst der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle.
Die Ausstellung, "aufgehängt" an den Aktivitäten herausragender Sammler- und Fördererpersönlichkeiten, welche die Verbreitung dieser Kunst-Einstellung in Europa durch ihre Unterstützung und ihren Einfluss möglich machten, entstand in Zusammenarbeit mit der Scottish Gallery of Modern Art in Edinburgh und dem Boijmans Van Beuningen Museum in Rotterdam.
Den Anfang machte der englische Künstler und spätere Mäzen und Autor Roland Pentecost, geb.1900, der in Frankreich arbeitete und quasi alle Surrealisten persönlich kennenlernte, die in Westeuropa lebten. Mit dem väterlichen Erbe erwarb er eine Sammlung, die er aber teilweise veräußerte, um jungen Künstlern auf die Beine zu helfen.
Edward James, geboren 1907, der Millionenerbe englisch-amerikanischer Abstammung, war kein passiver Sammler, sondern stand in regem Austausch mit Dalí und Magritte. Mithilfe des Surrealismus suchte er sich aus gesellschaftlichen Konventionen zu befreien. Aber er war auch selbst kreativ, dichtete und tausche Ideen mit seinen Künstlerfreunden. So kamen von ihm die Idee und der Auftrag zu Dalís Mae-West-Lippensofa und dem Hummertelefon. Beide befinden sich als Exponate in Hamburg. Er hatte Ende der 30er mit Dalí einen Exklusivvertrag und hielt lange Jahre die weltgrößte Dalí-Sammlung.
Nach 1939 wandte er, wohl aufgrund des Krieges, sein Augenmerk verstärkt auf Surrealisten in den USA und Mexiko: Leonora Carrington, Leoner Fini und Dorothea Tanning, die auch in der Hamburger Ausstellung vertreten sind.
Die Schottin Gabrielle Keiller, geb. 1908, sammelte Skulpturen und Gemälde. Ihr Mann kaufte übrigens u.a. Avebury und ließ die dortigen Steinkreise restaurieren.
In der folgenden Generation begann das Unternehmer- und Sammlerehepaar Ulla und Heiner Pietzsch den Aufbau ihrer Sammlung surrealistischer Werke nach einer persönlichen Begegnung mit Max Ernst Anfang der 70er Jahre.
Auch vier Filme bereichern die Ausstellung. Ein kleines surrealistisches Spiel zur Ausstellung ist online: A game of chance, language and fantasy. Die Besucher sollen sich neue Titel ausdenken.
Junge Menschen sehen den Surrealismus heute sozusagen rückblickend. Sie erkennen in ihm Vorläufer der ihnen vertrauten Formen von Figuren und Landschaften anderer Welten, sei es eher romantisch aus dem Bereich der Fantasy oder technisch-roboterhaft, bzw. außerirdisch aus den Welten der Science Fiction. In zahlreichen Computerspielen/ Online-Games finden sich auch Verbindungen aus beidem. Traum- und Albtraum, Paradies und Hölle, Abstruses und Überraschendes sind in den Werken der Surrealisten immer noch lebendig. Das Experimentieren mit verschiedensten Techniken wie Collage, Frottage, Grattage und Decalkomanie wird anschaulich beschrieben. In einigen Werken erkennt man deutliche "Vorläufer" der PopArt. Die Rebellion gegen die "Vernunft", das "Funktionieren" haben die Surrealisten schon von ihren DaDa- Vorläufern gelernt, sie kleiden das Ganze in ein "Konzept", einigen sich auf ihr Manifest, spielen auf Politik an ohne konkret politisch aktiv zu werden. Eher versuchen sie mit ihrem Umdenken und dem Aufbrechen von Sehgewohnheiten und - erwartungen den herrschenden politischen Systemen den geistigen Nährboden zu entziehen. Auch wenn das aufgrund ihrer Intellektualität keine Breitenwirkung erzielte, reichte es doch dazu, z.B. den Nationalsozialisten ein beträchtlicher Dorn im Auge zu sein.
Die Vielfalt der Exponate und die treffenden Erklärungen zu und Mottos über den Bildern machen den Besuch der Ausstellung zu einem nachhaltigen Erlebnis.
Andrea Claussen