Ein Besuch der NordArt 2018 in Büdelsdorf/Rendsburg

„An den Grenzen von Unendlichkeit und Zukunft“

So lautet das Motto der bis zum 7.10. dauernden internationalen Kunstausstellung in den 22.000  Quadratmeter Ausstellungsfläche bietenden Hallen des 1827 gegründeten Eisengusswerkes. Hinzu kommen beeindruckende 80.000 Quadratmeter Skulpturenpark und die ACO-Wagenremise, wo eine Retrospektive mit riesigen Holzplastiken des renommierten Bildhauers Jan Koblasa gezeigt werden.

Der Schwerpunkt liegt 2018 nämlich auf Tschechien, woher Koblasa, Professor in Prag und Kiel, stammt. 1968/69 Schleswig-Holstein zu seiner Wahlheimat machte und im vergangenen Jahr zwei Tage vor seinem 85. Geburtstag verstarb.

Auf den ersten Blick fällt die Menge an plastischen Arbeiten aus Fiberglas ins Auge, die mit neuster 3D- Computertechnik erstellt wurden, deren Ausstrahlung jedoch durchaus unterschiedlich ist: von steril, seriell und überglatt bis hin zu täuschend „echt“, bzw. fast lebendig. Von abstrakten stark farbigen Skulpturen Tamáš Medeks über Monika Horčicovas Knochenfantasien zu Michal Gabriels Sigmund-Freud-Arrangement auf der tschechischen Seite. Demgegenüber die kahlen Mädchen von Liu Fei ( „Frauen mit Waffen“, ein häufiges Motiv): Vormaoistische Schuluniformen, strahlende Pekingoperposen, extreme Mimik und jede ein MG! Sie sind die Wächterinnen der ersten Halle, finden sich aber auch als Gemälde in diese wieder. Passend dazu die Reihe der in typischen Posen verharrenden schwarz-roten Mao-Männer, die die zweite große Halle „kontrollieren“.

Realistischer, die eingefärbten: eine Runde nackter Frauen mit Vogel - auch gruselig. Interessant die Gruppe der Bootfahrenden im Fluss, der gespickt ist mit Müll, hauptsächlich mit schwimmenden Flaschen.

Im Kontrast dazu einmal die faszinierenden beiden Riesendrachen aus Baumaschinenschrott (aus 2017), welche über zwei Wasserflächen den „Himmel“ der zweiten Halle beherrschen, sowie die nach Dürers bekanntem Stich figurgewordene lebensgroße Bronze „Ritter, Tod und Teufel“ von Alexander Taratynov aus Russland.

Aus dem Baltikum und Schweden kommen in Richtung Fantasy gehende Gemälde mit morbiden „Märchenfiguren“ Richtung moderne böse Fee, vgl. „Frauen mit Waffen“, dazu passend Dalva Durantes „Queen of Chaos“, Brasilien, selbes Thema, andere Malweise. Wobei sich eine Tenzdenz zum Superrealismus , extremstes Beispiel: Agate Apkalnes „Mädchen mit dem Fuchs“, erkennen lässt. Bis hin zum „trompe d’œil“ , Beispiel der gemalten Spinde mit echten Scharnieren.

Eine ganze Reihe von realistischen Portraits, hauptsächlich Frauen, für das nf.info Team persönlich besonders ansprechend die Reihe „Just a Woman“ von Ekaterina Zacharova, die Frauen in Havanna, New York und anderen Großstädten zeigt. Wunderbare Farbigkeit und interessanter Duktus, locker, schnell, dem Großstadtrhythmus entsprechend.

Wollte man allen Künstlern gerecht werden, müsste man sicher dreimal so lange in der Ausstellung bleiben, denn auch der Skulpturenpark wartet mit neuen Überraschungen auf und die höher gelegenen Bereiche in den Hallen sind im September sicher besser zu verkraften. Aber erstens setzt jeder Besucher seine eigenen Schwerpunkte und zweitens soll ja auch nur Appetit auf die Ausstellung gemacht werden, die noch bis zum 7. Oktober in den ehemaligen Ahlmannwerken zu sehen sein wird.

Andrea Claussen