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Schauplatz Husum. Ein Geschichtsalbum in Lebensbildern 1450-1959
Genius loci, der Geist, den ein Ort atmet, kommt nicht von ungefähr.
Husum ist eine Stadt, die unzählige Geschichten erzählt. Geschichten der großen, aber auch der kleinen Leute. Menschen prägen ihre Wohnorte. Zuerst sind es die geografischen Gegebenheiten: ein Fluss, ein Meer, in das er mündet. Fischfang und Handel, fruchtbares Ackerland ringsum und der westliche Ochsenweg. Eine „kurze“ Verbindung über kleinere Flüsse zur Schlei, zur Ostsee.
Landgewinnung, der Kampf mit der Naturgewalt des Meeres. Naturgewalten, die nehmen, aber auch geben. Die „Vergrößerung“ des Husumer Hafens als Gewinn für den Handel ging auf Kosten großen Landverlusts der vorgelagerten Inseln.
Aber abgesehen vom Geografischen zeigt die derzeitige große Ausstellung im Husumer NordseeMuseum/Nissenhaus, wie hervorragende einzelne Persönlichkeiten das Leben und die Geschichte der Stadt prägten und sie zu dem machten, was sie jetzt ist. Einige dieser Menschen sind jedem Husumer bekannt, wie Hermann Tast, Ludwig Nissen, Ferdinand Tönnies und Franziska zu Reventlow deutschlandweit und weltweit Theodor Storm, den längst niemand mehr als bloßen „Heimatdichter“ abzuqualifizieren wagt. Das Spannende ist, dass die Coautoren des von Matthias Bauer,..., herausgegebenen Bandes „Schauplatz Husum, ein Geschichtsalbum in Lebensbildern 1450-1950“ so viele Namen ins Spiel bringen könnten, die bislang nur einer kleinen Gruppe von speziell historisch Interessierten bekannt waren. Gemeint sind u.a. Der Heerführer Paul Würtz, Antoinette von Bourignon, eine religiöse Schwärmerin, die im Hause des toleranten Stadtschreibers und Frühaufklärers Augustus Giese, der sich vehement für die Bürgerrechte und Menschenwürde der als „unehrlich“ geltenden Scharfrichter und Schinderfamilien einsetzte. Der Berufsrevolutionär Harro Harring aus Wobbenbüll wird ausführlich beleuchtet, das Schicksal von Frauen als angebliche Hexen, als verurteilte Kindsmörderinnen, aber auch als Friedensaktivistinnen, Schriftstellerinnen und Pädagoginnen wird mit seinem Einfluss auf Leben und Denken dieser Stadt beleuchtet. Viele neue Erkenntnisse und Einblick in Zusammenhänge und Vernetzungen sowie die Facetten des deutsch-dänischen Verhältnisses werden verdeutlicht in 21 Beiträgen von Arno Bammé, Matthias Bauer, Uwe Carstens, Gerd Eversberg, Bettina Görke, Franziska Horschig, Tanja Hörmann, Uwe Iben, Albert Panten, Paul-Heinz Pauseback, Klaus Schumacher, Thomas Steensen, Christian Stolz, Christian M. Sörensen, Ulrich Schulte- Wülwer und Angelika Zöllmer-Daniel.
Husum ist eine Stadt, die verglichen mit ihrer Größe ungleich viel an kulturellem Leben zu bieten hat. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können häufig gar nicht alle Angebote wahrnehmen, die auf dem Gebiet von Musik von klassisch bis Punk und HipHop, Bildender Kunst, Literatur, Film und auch, trotz begrenzter Bühnenmöglichkeit: Theater, angeboten werden, sei es als Zuschauer oder um selbst aktiv zu werden. Theatergruppen, Spielmannszüge, mehrere Orchester und Chöre, die Kreismusikschule, die gut aufgestellte VHS, der Speicher, das Wattenmeer- und Naturschutzzentrum, der Nordfriesische Verein, weitere kulturelle Weiterbildungsangebote durch Vereine wie IG Baupflege, Pole Poppenspäler (mit internationalem Format), Stadtgeschichte, Kunstverein, Ede Sörensen- Stiftung und Filmclub, um nur einige zu nennen, laden zur Beteiligung ein. Ganz abgesehen von den Sportvereinen und -vereinigungen.
Getragen werden diese von ehrenamtlicher Arbeit. Wenn nun im Rahmen der Ausstellung als interaktiver Aspekt Karten ausgefüllt werden dürften mit Namen würdiger Menschen, die Husum gerade heute zu dem formen, was es, abgesehen von seiner Geschichte, so lebenswert macht, dann würde man nicht wissen, wo man anfangen und wo man aufhören sollte.
Die Ausstellung selbst ist sehr ansprechend, weil anschaulich aufgebaut. Verschiedene Ynischen beherbergen die Geschichten der einzelnen Persönlichkeiten mit Fotos, Gegenständen aus ihrem Leben und Dokumenten, gut aufbereitet, übersichtlich und nicht überladen. StudentInnen der Europauniversität Flensburg und die Mitarbeiterinnen des Museums waren hier sehr erfolgreich am Werk. Wieder gibt es auch einen Film zu sehen, der in dem kleinen Schauraum läuft, wo Angelika Zöllmer-Daniel zu den Schriftstellerinnen informiert, die ihr Verein (Schwerpunkt Margarete Böhme) neu verlegt. Es wäre noch seitenweise zu berichten, aber hier soll dann doch die Empfehlung ausgesprochen werden, selbst die Ausstellung zu besuchen. Es lohnt sich immer, da man auch sehr gut seine eigenen Schwerpunkte auswählen kann.
Die Ausstellung „Schauplatz Husum“ wird noch bis zum 19.1.2020 im NordseeMuseum/ Nissenhaus in der Herzog-Adolf-Straße in Husum zu sehen sein.
Andrea Claussen