- Details
- Kultur
WERKSCHAU Franz Kottmeier II
Bereits im Jahr 2014 wurden zwei umfängliche Bereiche des Werkes von Franz Kottmeier in der Stadtbibliothek Husum gezeigt, die Norwegenaquarelle, Früchte von über 20 Aufenthalten dort, eine Reihe von Akten und die späten Husumbilder, welche in Mischtechnik von Tuschezeichnung und Aquarell entstanden.
Jetzt bietet sich die Gelegenheit, auch ganz andere Seiten des Künstlers zu entdecken. Zu sehen in der Stadtbibliothek Husum vom 7. August bis 30. Oktober 2020.
Der 1944 in Osnabrück geborene Franz Kottmeier verbrachte Kindheit und Jugend in Bielefeld. Nach dem Abitur studierte er 4 Semester in Heidelberg Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte. Er heiratete früh und wechselte, nach Berlin umgezogen, zum Studiengang für das höhere Lehramt mit den Fächern Deutsch, Philosophie und Politische Bildung, welche er als Studienrat am Berliner Leibnitzgymnasium bis zu seiner Pensionierung unterrichtete.
Weil die Zeichnungen, die er bei jeder Konferenz nebenbei mit Leichtigkeit und Treffsicherheit auf die Ränder seiner Unterlagen kritzelte, nicht etwa den Zorn, sondern die Bewunderung des Schulleiters erregten, wurde er kurzerhand gefragt, ob er nicht auch den Kunstunterricht übernehmen wolle. Es herrschte, wie heute auch, großer Mangel an guten Kunsterziehern. Franz Kottmeier nahm an und bereute diese Entscheidung nie.
In seinem Privatleben trat eine große Veränderung ein, als er, dessen Ehe sich nicht glücklich entwickelt hatte, in Ulrike Zilius eine Partnerin fürs Leben fand, mit der er reiste, philosophierte, Natur und Kultur ebenso unter die humorvoll-kritische Lupe nehmen konnte wie den Menschen. Den Kaffeehausliteraten, die politisierenden Typen in den Berliner Eckkneipen, die Weltenbummler, denen man die Nationalität 10 Meter gegen den Wind ansehen konnte, die Armen und die Tapferen dieser Welt und die literarischen und mythologischen Gestalten. Und all diese Eindrücke lieferten nicht nur Gesprächsstoff, der nie ausging, sondern auch Ideen und Motive für Franz Kottmeiers Kunst, die er schier unermüdlich produzierte. Nie sah man ihn ohne einen Skizzenblock. Nie hörte er auf dazuzulernen, sich zu perfektionieren, etwas gänzlich Neues zu wagen. Intensive theoretische Auseinandersetzung mit Techniken und dem eigenen Kunstverständnis gehörten dazu. Aus seinen vielen Arbeitstagebüchern kann man entnehmen, mit welcher Energie und Leidenschaft er sich seiner Kunst widmete, wie sie ihn ständig begleitete und wie viel mehr sie ihm war als eine Freizeitbeschäftigung. So unverwechselbar und persönlich wie eine Handschrift sollte der eigene Stil sein und sich doch in erster Linie seinem Ausdruckswillen unterordnen. Dieter Staacken formulierte das eine seiner eigenen Skizzen betreffend in etwa einmal so: „Das ist ein schönes Motiv. Daraus kann ein Bild werden.“
Deutlich erkennt man im Werk Franz Kottmeiers, dass er sich für die einzelnen Themenkreise recht unterschiedliche Darstellungsformen wählte, was nicht nur eine Frage der Technik und des Materials ist. So sind die live in den Kneipen Berlins entstandenen Zeichnungen mit Bleistift oder Feder eher kleinformatig. Mit sicherem und flottem Strich werden die Individuen oder Personengruppen mal karikaturistisch, mal eher als eine Momentaufnahme der Stimmungslage auf das Skizzenblatt geworfen. Man glaubt beim Betrachten die Gespräche zu belauschen oder sich in die Gedankenwelt der Einzelgänger hineinzutrauen. War es doch die Zeit unserer bewegten politischen Jugend. Klänge aus einer Zeit erregter Debatten über Pershingraketen, Vietnamkrieg, Atomkraftwerke und die RAF. Über Joseph Beuys, Makrobiotik und Legalisierung von Cannabis. Über Fassbinder, Happenings und Nepal. Über freie Liebe, Kinderläden und Landkommunen. Über Hausbesetzung, Emma und Rockfestivals.
Dagegen sind die groß angelegten Zeichnungen mit Feder und Zeichentusche zu Themen wie z.B. Macbeth oder ....Shakespeare?... sehr aufwändig und genau ausgeführt. Immer wieder kann man neue Einzelheiten darin entdecken. Ihnen haftet etwas Tiefes und Schweres an, das dazu anregt, der symbolischen Bedeutung und der vielschichtigen Bildaussage auf den Grund zu kommen.
Die Reihe der Radierungen zur Illustration der von ihm erzählten Geschichtenreihe über den indischen Elefantengott Ganesha hat eine ganz andere Ausstrahlung. Sie sind durchweg sehr positiv und humorvoll und wirken in ihrer Ornamentik und auch durch die Nebeneffekte der Radiertechnik sehr indisch.
Meisterhaft sind und bleiben seine Norwegenaquarelle, deren Leuchtkraft und sinnliche Ausstrahlung ihresgleichen suchen. Da inzwischen bzw. nach der ersten Ausstellung in der Stadtbibliothek Husum sehr viele gekauft worden sind, können hier nur einige wenige gezeigt werden.
Auf Leinwand bevorzugte der Künstler Acrylfarben. Über die Jahrzehnte entstand eine Reihe sehr sozialkritischer Bilder, von denen hier nur eines gezeigt wird. Kontrast von Arm und Reich an einem touristischen Strand. Es gibt derer noch mehr, vor allem auch aus Indien. Eine Reihe der auf seiner Homepage präsentierten Radierungen und Zeichnungen verfolgen auch diese Richtung. Was ist in den von ihm bereisten Ländern wirklich Realität? Was spielt sich neben den kulturellen Attraktionen ab?
In weiteren Acrylbildern verwendet Kottmeier auch eine Art gemalter Montagetechnik, um unterschiedliche Aspekte eines Gedankens und seiner damit verbundenen Assoziationen zu verdeutlichen. So zum Beispiel in seinem letzten Gemälde „Die Schimmelreiter“, das der Stadt Husum, die seine neue Heimat geworden war, gewidmet ist. Es zeigt die Atmosphäre der Hafenstraße mit Anspielung auf Wind und Kunst, Fisch, Naturschutz und Storms Spätwerk und nebenbei den erfolgreichen, glücklicheren Schimmelreiter Hinrich Romeike, der zu einem gewaltigen Sprung über das Hafenbecken ansetzt.
Apropos Hafen.... drei sehr schöne Mischtechnikbilder mit Husumer Hafen und Schiffsmotiven sind zu bewundern. Tiefe, reiche Aquarelltöne, akzentuiert durch energische Federzeichnung.
Man kann die Verbundenheit des Künstlers mit der Stadt deutlich spüren. Und tatsächlich hat er, so oft es ging, in den letzten Lebensjahren irgendwo in Husum gesessen und gezeichnet.
Da Franz Kottmeier der kommerzielle Kunstbetrieb nicht zu interessieren brauchte und er nichts für die damit verbundene Selbstdarstellung übrig hatte, war er auch nicht gezwungen, sich in irgendeiner Weise zu vermarkten. Deshalb zog er es vor, lieber seine Zeit aufs Malen und Zeichnen zu verwenden als für die Vorbereitung und Durchführung von Ausstellungen. Wie viel Kraft und Zeit er dadurch tatsächlich gespart hat, davon kann Ulrike Zilius quasi ein Lied singen. Sie war fast das ganze Frühjahr damit beschäftigt, die Bilder für zwei große Einzelausstellungen hier und in Achterwehr auszuwählen und präsentabel zu machen.
Die zweite große Ausstellung wird am 14.8.2020 in der GaK, der Galerie für aktuelle Kunst, in Achterwehr bei Kiel eröffnet.
(NfI)