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Projekt Willkommenslotsen: Landwirtschaft fernab der Heimat
Ein 800 Kilogramm schwerer Bulle zog die Blicke auf sich. Der mächtige Vierbeiner stand im Stall von Familie Lorenzen, die den Hof Kronenburg in Horstedt bewirtschaften. Einige der Besucher wollten den Bullen streicheln, genauso wie sie es kurz zuvor mit den Kühen der Doppelnutzungsrasse rot/bunt und dem bayerischen Fleckvieh im Stall gegenüber gemacht hatten. Doch nun gab Hofbesitzer Jörg Lorenzen die kurze Ansage „Nicht anfassen“.
Er führte die Besucherschar auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb herum und somit konnte die sich ein Bild von einem der sogenannten grünen Berufe machen. Genau das ist das Ziel des Projektes „Willkommenslotsen“, das durch das Programm „Passgenaue Besetzung“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie seit 2016 läuft - speziell für Kammern des Handwerks, der Landwirtschaft sowie von Industrie und Handel. Kleine und mittlere Betriebe sollen damit bei der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen und der Integration von Geflüchteten als zukünftige Arbeitskräfte unterstützt werden.
Seit 2018 ist die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LK SH) bei dem Programm mit im Boot und seitdem ist Britta Küper als Willkommenslotsin dieser Kammer unterwegs. Über 20 Arbeitsverhältnisse und annähernd 30 Praktikumsplätze hat sie seitdem schon auf den Weg gebracht.
Nun ist sie wieder unterwegs, dieses Mal in Nordfriesland, Seite an Seite mit Hilke Holthuis vom Team Migration des Sozialzentrums Husum und Umland mit Jobcenter.
Hilke Holthuis hatte das Projekt der LKSH aufgegriffen und die Exkursion organisiert. Innerhalb des Sozialzentrums Husum arbeitet sie mit einer Kollegin in einem Team, in das überwiegend Geflüchtete zugewiesen werden, die noch nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen.
Die beruflichen Hintergründe oder Wünsche in Bezug auf Arbeit sind dem Team bekannt. So wurden 25 Personen angesprochen, die im Herkunftsland bereits im landwirtschaftlichen Bereich gearbeitet, eine Ausbildung oder ein Studium absolviert haben. Von der Agraringenieurin bis hin zum Melker reicht die Palette der beruflichen Hintergründe
derjenigen, die sich nun ein Bild von landwirtschaftlichen Betrieben in Nordfriesland machen können.
„Es gibt für Geflüchtete viele Möglichkeiten, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Ich möchte ihnen die Arbeit in Deutschland an Ort und Stelle zeigen und auch, dass diese hier anders ist, als in ihrer Heimat“, so Britta Küper. Im ganzen Land hat sie Flyer zum Projekt verteilt, so dass sie inzwischen die Betriebe kontaktieren, die Arbeitskräfte und auch Auszubildende suchen. Zeitgleich sucht sie Betriebe, die sie mit Geflüchteten besuchen kann.
Hofbesitzer Jörg Lorenzen sucht zwar aktuell niemanden zur Unterstützung, war aber dennoch bereit, der Gruppe Einblicke in seine Landwirtschaft zu geben und Fragen zu beantworten. Er zeigte mit seinem Mitarbeiter auch, wie gemolken wird, erklärte die Technik und vieles mehr. „Wir machen oft Hofführungen, ehrenamtlich und gerne“, sagte er.
Die Tour der Willkommenslotsin führte auch zu Hof Backensholz in Oster-Ohrstedt. Dort wird derzeit ein Mitarbeiter gesucht, der beim Melken hilft. Henrik Andresen, einer der Betriebsleiter, übernahm die Führung und zeigte, wie „ein moderner Milchviehbetrieb“ funktioniert und welche Möglichkeiten der Hof für Arbeitssuchende bietet. „Gute Leute können wir immer gebrauchen“, gab er der Runde zu verstehen.
800 Rinder, 750 Hektar Land, eine Käserei, ein Hofladen und einiges mehr gehören mit zum Betrieb, in dem das Thema „Nachhaltigkeit“ groß geschrieben wird.
Erimias und Misgra aus Eritrea arbeiten seit über einem Jahr in Backensholz – einer in der Landwirtschaft, der andere in der Käserei. Die Erfahrungen mit ihnen seien gut, so Hendrik Andresen.
Britta Küper gab zum Anfang der Tour zu verstehen, dass es mit Blick auf einen passenden „grünen Beruf, einer Wohnung und einem Fortbewegungsmittel immer Lösungen gibt.“ Ihr freudiges Fazit am Schluss: „Es gab zuvor noch nie so viele interessierte Arbeitswillige.“ Hilke Holthuis war auch zufrieden aufgrund der Resonanz. „Nun schauen wir, wie es sich entwickelt“, meinte sie. Dritte Frau im Bunde war Sophie Ikram Röschmann, die dolmetschte.
Marwan aus Syrien würde gerne wieder in der Landwirtschaft arbeiten. Der inzwischen 54Jährige wuchs mit Tieren und Ackerbau auf. Ein paar Bedenken hatte er allerdings. Eine davon: Ob er den Anforderungen fernab seiner Heimat entsprechen kann. Der Beruf des Fischers wäre auch etwas für ihn und da er in Husum wohnt, stehen die Chancen mit der Nordsee vor der Tür wohl nicht schlecht. „Ich werde alles versuchen“, blickte er optimistisch in die Zukunft.
Gefördert wird das Projekt „Willkommenslotsen“ durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Britta Küpers Stelle finanzieren zudem die LK SH sowie der Bundesverband der Deutschen Lehranstalten für Agrartechnik (DEULA) Rendsburg. Weitere Informationen unter www.lksh.de/Willkommenslotsin.
(NfI)