Martin Schulz ist ein Populist

Es ist Wahlkampf

Eigentlich wäre Sigmar Gabriel gerne Kanzler geworden. „Der dicke Siggi“, wie er liebevoll genannt wird, der hat doch Gemütlichkeit verbreitet. Die Bundeskanzlerin hat Politik gemacht und Gabriel hat Lebensfreude verströmt.

Die Agenda 2010 der SPD hat das Land verändert und es entstanden viele neue Arbeitsplätze. Die Arbeitslosigkeit hat sich stark verringert, und wenn man schon auf dem Weg ist, kann man die Zahlen mit erheblichen statistischen Tricksereien noch weiter drücken. Egal, die Zahlen müssen runter.

Nun sind die neuen Arbeitsplätze aber hauptsächlich im Niedriglohnsektor entstanden, mit düsteren Aussichten für die spätere Rente. Aber ist es nicht besser, einen schlecht bezahlten Job zu haben, und damit einen geregelten Tagesablauf, statt im Feinripp mit der Bierflasche in der Hand den ganzen Tag RTL zu schauen?  Wer arbeiten will, findet auch einen Job, das war die gängige Parole. Geld für Soziales und Kultur war nicht über.

Dann kam die Bankenkrise. Allerdings ist Krise hier wohl ein verniedlichender Ausdruck.  Es ist ein Systemfehler, denn die Zockerei geht ja weiter. Auf einmal waren Milliarden da, um diese kriminellen Zockerbanden zu retten. Das hat das Gerechtigkeitsempfinden erheblich gestört. Die Schere zwischen Arm und Reich klaffte ohnehin schon immer weiter auseinander. Geduldete Steuervermeidung schädigt das Allgemeinwohl zusätzlich. Aber wo sollte man ansetzen, um das zu ändern? Die Linke in Deutschland ist zu schwach und die SPD hat sich schon lange aus dem Klassenkampf verabschiedet und kungelt mit den Großkonzernen.

Als nächstes kamen die Flüchtlinge, auch für die wurde gesorgt. Und hier ergab sich plötzlich die Möglichkeit anzusetzen. Die ohnehin latent vorhandenen rechten Neigungen im Land lassen sich für den Unmut bestens instrumentalisieren. Bis zur „Flüchtlingskrise“ gab es für Rechte keinen Platz in Deutschland, Rechte standen immer in der Naziecke. Der Zulauf zu dieser Bewegung ist aber nicht nur mit den Flüchtlingen zu erklären. Die Bankenkrise, die Angst um die Besitzstände und eine Regierung, die ihr Handeln nicht mehr erklären kann, treiben die Menschen in die Arme solcher Populisten. Hilflos versuchen CDU und CSU am rechten Rand auf Wählerfang zu gehen. So richtig nimmt man ihnen das nicht ab.

Und plötzlich taucht da der Heilsverkünder Martin Schulz auf, ein Spitzenverdiener, der erklärt, dass er die Probleme der kleinen Leute kennt und versteht. Ein Mann mit altbackener Brille und Sauerkraut im Gesicht. Und jetzt kommt es, er verspricht Gerechtigkeit. Gesoffen hat er früher, er kennt seinen Bäcker persönlich und ihm gegenüber wohnt ein Feuerwehrmann. Die Geschichte mit dem Feuerwehrmann ist genial, Feuerwehrleute haben ein hohes Ansehen in der Gesellschaft. Sonst sagt er eigentlich nicht viel mehr. Gerechtigkeit. Die CDU/CSU verliert den Boden unter den Füßen, die ehemals stärkste Partei Deutschlands wird von der fast zur Splitterpartei verkommenen SPD überholt. Gerechtigkeit. Hektisch wird versucht, in Schulzens Vergangenheit zu wühlen. Es muss doch etwas geben, um diesen Höhenflug zu stoppen. Jetzt wird im Dreck gewühlt, Populismus kann man Schulz schon mal vorwerfen. Die bisherige Wahlstrategie des „Weiter so“ wird für die CDU diesmal nicht reichen. Man darf auf deren neue populistische Ausfälle warten. Das Feindbild ist zumindest klar: Rot-Rot-Grün.

Da könnte die CDU doch mal in ihre Parolenmottenkiste greifen, die Slogans von 1949: Wer nicht wählt, wählt kommunistisch und damit seinen und seines Volkes Untergang.

Gerechtigkeit hat sie damals übrigens auch versprochen: Freiheit - Gerechtigkeit - Frieden.

Es stellt sich natürlich die Frage, was bedeutet Populismus eigentlich im Wahlkampf? Wahlkämpfe sind schon immer mit Parolen und nicht mit Fakten gemacht worden.

Hier einige Beispiele aus vergangenen Wahlen:

Die CDU:
Zeit für Taten
Ein menschliches Deutschland gestalten
Identität Deutschlands bewahren
Arbeit und Wohlstand für alle
Freiheit und Sicherheit
Gemeinsam erfolgreich

Die FDP
Mehr Netto. Mehr Bildung. Mehr Arbeit
Mehr Netto für alle, damit sich mehr Menschen unsere Arbeit leisten können
Mehr Megaherz für unsere Kinder
Mehr Tempo für Deutschland

Die SPD
Das Wir entscheidet
Anpacken für unser Land
Damit unsere Kinder leben können: Umweltsünder hart packen
Sicherheit für Deutschland

Schon die Wahlslogans von 1949 waren bemerkenswert.
CDU: Millionen Christen wählen CDU
SPD: Für Frieden, Freiheit, Sozialismus
FDP: Gleichstellung in Preis und Lohn für das Landvolk FDP

Lügen ist in der Politik erlaubt, Populismus ist gängige Praxis im Wahlkampf, bei allen Parteien. Daran hat Schulz nichts geändert. Und in der jetzigen Situation ist das Schlagwort „Gerechtigkeit“ fast nicht zu überbieten. Mal sehen, mit welchen Parolen die anderen Parteien jetzt um die Ecke kommen. Fakten werden es nicht sein.

Und spannend wird es auch nicht werden - einzig der rechte Rand verliert an Zustimmung. Aber das ist doch auch nicht schlecht.

Wolfgang Claussen