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Das Schleswig-Holsten-Ticket verdient seinen Namen nicht
Ein Sommerurlaub in Schleswig-Holstein hat seine Tücken - ein Gastkommentar
Unser Urlauber ist unternehmenslustig, gutgläubig und umweltbewusst. Er weiß, dass es ein Ticket gibt, das ihm zu versprechen scheint, dass er mit 28 € mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch das Land fahren darf, das sogenannte Schleswig-Holstein-Ticket.
Gutgelaunt plant er z.B. eine Fahrt von Husum zum Schloss Glücksburg am Rande der Flensburger Förde, kommt abends vom Schiff in Flensburg an und freut sich, dass es einen Schnellbus (Linie 1044) nach Husum gibt. Nach geduldigem Warten steigt er ein, nur um vom Busfahrer zu erfahren, dass im Schnellbus das Ticket nicht anerkannt wird. Irgendwo im oder am Bus soll darauf hingewiesen werden. Er hetzt also zum Bahnhof, verpasst den Zug um Minuten und muss sich nun eine Stunde im ach so spannenden Flensburger Bahnhof die Zeit vertreiben. Wenn der Busbetreiber es für nötig befunden hätte, am Aushangfahrplan einen deutlichen Hinweis auf die fehlende Gültigkeit des SH-Tickets zu geben, hätte der Tourist den früheren Zug locker erreicht.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, welches private Busunternehmen sich standhaft weigert, das SH-Ticket anzuerkennen. Um es etwas abzukürzen: Es ist die Autokraft GMBH mit Sitz in Kiel, ein Unternehmen der Deutschen Bahn. Dieses Unternehmen ist eine 100%ige Tochter der DB Regio Schleswig-Holstein.
Also: Ein SH-Ticket der Deutschen Bahn gilt in den Zügen dieses Unternehmens, nicht aber in deren Omnibussen. Alles klar?
Der Urlauber versucht sein Glück von Neuem: Er will den Nord-Ostsee-Kanal von Brunsbüttel bis Kiel mit dem Raddampfer "Freya" befahren, eine 8-stündige Tour. Die Anfahrt ist etwas umständlich - von Husum aus muss er 2mal umsteigen - , aber er hat ja sein SH-Ticket.
In Burg (Dithmarschen) nach Brunsbüttel (Linie 2508) kommt - etwas verspätet - ein Gelenkbus mit mindestens 50 Sitzplätzen an. Es ist Ferienzeit und ein Ehepaar sitzt darin, später kommen noch 3 Fahrgäste dazu. Das deutet auf eine absolute Fehlplanung des Betreibers hin, aber wahrscheinlich kann er sich das leisten, da er ja die gutgläubigen Touristen mit dem SH-Ticket hat. Unser Tourist ist zwar immer noch in Schleswig-Holsten, aber sein Ticket gilt wieder nicht. Auf die Frage, weshalb das SH-Ticket auch hier nicht gültig ist, wird lediglich die Auskunft erteilt, dass dies irgendwo an der Außenseite des Buses stünde. An den Aushangfahrplänen war wiederum kein Hinweis. Wer ist der Betreiber der Linie 2508? Richtig geraten, die Autokraft GMBH, das 100%ige Bahntochterunternehmen.
Die Verwirrung ist komplett, wenn man bedenkt, dass das SH-Ticket im innerörtlichen Nahverkehr in Rendsburg gültig ist, bei einem offenkundig nicht der Deutschen Bahn angegliederten Busunternehmen.
Dieses Schleswig-Holstein-Ticket ist ein schlechter Scherz und verdient seinen Namen nicht.
Als Tourist aus Baden-Württemberg will man in diesem Land Urlaub machen und sich nicht in ein Studium der Gültigkeiten des SH-Tickets stürzen.
In Baden-Württemberg, einem Bundesland, das mehr als doppelt so groß ist wie Schleswig-Holstein, gilt das Länderticket überall, ausgenommen auf dem Bodensee. So wie sich jedem Touristen erschließt, dass das SH-Ticket nicht für die Inseln und Halligen gelten muss. Und in Baden-Württemberg ist es auch völlig egal, ob die Deutsche Bahn oder ein privater Unternehmer eine Buslinie betreibt.
Pikant ist auch, dass ein Baden-Württemberg-Ticket derzeit 23 € kostet, also 5 € weniger pro Person und Tag, bei mehr als doppelter Fläche, die von einem öffentlichen Nahverkehr "bestrichen" werden muss.
Ich habe nicht den Eindruck, dass das Land Schleswig-Holstein an einem öffentlichen Personennahverkehr und damit sanft verbundener touristischer Erschließung zu seinen Sehenswürdigkeiten interessiert ist. Dieses mangelnde Interesse wird den Individualverkehr zunehmen lassen. Hierzu braucht es keine Propheten.
Werner- Ulrich Hägele