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Nolde in der Südsee
Ausstellung anlässlich des 150. Geburtstages des großen Expressionisten findet in zwei Räumlichkeiten des Landesmuseums Schloss Gottorf eine Noldeausstellung statt.
Die museumseigene Sammlung Rolf Horn zeigt ihn gemeinsam mit anderen Expressionisten und bietet eine exquisite Auswahl an Masken und Figuren aus Afrika, die die Künstler zu abstrakter Formgebung anregten. Besonders sind hier aber, nebenbei bemerkt, die frühen Federzeichnungen des Hamburger Hafens, die einen für Nolde später nicht mehr typischen Duktus aufweisen.
Die Reithalle bietet ein umfassendes Panorama der 12- montägigen Weltreise, die der Maler mit seiner Frau Ada 1913 antreten durfte: ein Lebenstraum. Das Künstlerpaar begleitete zwei Ärzte und zwei Krankenschwestern, die im Auftrage des Kaiserreiches zum Ziel hatte, medizinisch-demographische Erkenntnisse in der damaligen Kolonie Deutsch-Neuguinea (heute: Papua- Neuguinea) durchzuführen, die Nolde als Maler dokumentieren sollte.
Der Weg führte sie von Berlin über Moskau durch Sibirien, Korea, Japan, Peking, Huanghi, Shanghai nach Hongkong. Von dort über die Phillipinen nach Malaysia, Indonesien bis an ihr Ziel: Rabaul. Bereits auf der Hinfahrt entstanden großartige Aquarelle in Mischtechnik mit Tintenzeichnung, z.B. schwarze chinesische Dschunken in einem Meer von leuchtendem Orange. Die Sicherheit und Leichtigkeit der Pinselführung kombiniert mit leuchtenden Farben beeindrucken auch bei den anderen Hunderten von Aquarellen dieser Expedition, von denen noch nie so viele gezeigt wurden wie in dieser Ausstellung: Strände, bevölkert mit Eingeborenenfamilien, die ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen. Immer wieder Mütter mit Kindern, eine Einheit absoluter natürlicher Harmonie bildend. Nolde war auf der Suche nach dem Ursprünglichen im Menschen. So dokumentiert er zwar in seinen zahlreichen Aquarell-Portraits Haartracht, Tätowierungen und Schmuck der Männer und Frauen, bringt aber durch die schnellen Skizzen und extremen Vereinfachungen der quasi heimlich gemalten Alltagsszenen vielmehr das Typische als das Individuelle zum Ausdruck. Die „Eingeborenen“ glaubten nämlich wie die Indianer Nordamerikas, dass derjenige, der ihr Abbild besäße, Macht über ihre Seele hätte.
Die starken Farben der Südsee, ob bei der Kleidung der Menschen, in den Blumen an den Stränden oder im Überfluss des Dschungels versetzten den Farben liebenden Nolde förmlich in einen Schaffensrausch, den selbst Fieber und Ruhr nicht stoppen konnten.
Wenn er nicht die Möglichkeit hatte zu aquarellieren, hielt er seine Eindrücke in weniger als postkartengroßen Pastellskizzen fest, die er dann „zuhause“ in Gemälde umsetzte. Noch in Rabaul entstanden so 19 Ölgemälde: Variationen von Meeresbuchten mit dramatischen Wolken, dynamischen Wellen und schwankenden Palmen. Eine rotviolette Krokusblüte und sattgrüner Dschungel. Aber vor allem immer wieder Menschen: ohne Hintergrund oder Umgebung, ohne Beiwerk. Kraftvoll, klar und unmittelbar aus dem Bild den Betrachter ansprechend. „Herrliche dunkle braune Urmenschen“ nennt er sie und mutmaßt über das Paradies Südsee nicht ganz zu Unrecht: „In zwanzig Jahren ist alles verloren.“
Das Ende des Expeditionsjahres wird vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überschattet. Über den Seeweg (Malaysia, Ceylon, Aden, den Suezkanal, Marseille geht es zurück nach Berlin. Mit einem Frachter vorausgeschickte und von den Engländern erbeutete Bilder und Schnitzereien erhält er wie durch ein Wunder 1921 aus England zurück. Die Südsee bleibt noch lange ein Sehnsuchtsland für Nolde. Auch in den folgenden Jahren malt er noch in ihm weiter lebende Südseebilder.
Die Ausstellung wird noch bis zum 3. Oktober im Landesmuseum in Schloss Gottorf, Schleswig zu sehen sein.
Andrea Claussen