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Gustav Klimt, ein Vater der Moderne
Was Papa Corot für die französischen Impressionisten war, das mag der 1862 in Österreich geborene Maler Gustav Klimt für die moderne Malerei im deutschsprachigen Raum gewesen sein.
Der Sohn eines Kunsthandwerkers studierte an der renommierten k.k. Kunstgewerbeschule in Wien, die bald zur Wiege des Jugendstils werden sollte. In diesem Sinne entstand quasi parallel zur Arts and Crafts Bewegung in Großbritannien und der Art Deco in Frankreich der Wunsch nach dem Zusammenspiel von Handwerk und Kunst sowie der Schaffung von Gesamtkunstwerken. Architekturensembles und Städtebau, Gartengestaltung, Schmiede- und Pflasterkunst, Innenarchitektur, Glaskunst, Innenausbau und Möbeltischlerei, Porzellan, Glas, Metall im Bereich Geschirr und Besteck, Schmuck, Couture, Bilderrahmen, Teppiche und Fliesen, Armaturen und alle Bereiche der bildenden Künste, zuzüglich der neuen Technik Fotografie.
Von seinen Hochschullehrern durch Auftragsvermittlung gefördert, legte Klimt schon früh einen ziemlichen Up-Start als Dekorationsmaler hin und führte mit einem Freund, Franz Matsch, und seinem Bruder Ernst diverse hochdotierte Aufträge im In- und Ausland durch, bis hin zur Verleihung des Goldenen Verdienstkreuzes durch den österreichischen Kaiser.
Als 1892 sein Bruder und sein Vater verstarben, versank er in Depressionen und die Künstler-Compagnie mit Matsch ließ sich nicht aufrecht erhalten.
Erst etwa 5 Jahre später holte ihn sein späterer Manager Carl Moll in die frisch gegründete Wiener Secession, aufmerksam geworden durch stark symbolistisch beeinflusste Skizzen Klimts zu den Fakultätsbildern für die Wiener Universität, mit denen der Maler bei den Professoren ziemlich aneckte: Es fehlte der Heroismus, es wurden schließlich „Unanständiges“ wie Schwangere und „Unappetitliches“ wie alternde weibliche Akte dargestellt. Später kaufte der Maler seine zu gering geschätzten Gemälde zurück. Als erster Präsident der Secession, aus der er und Moll 1905 wieder austraten, weil einige Kollegen ihnen zu naturalistisch malten, holte Klimt viele Maler der europäischen Avantgarde nach Wien, u.a. Whistler und den belgischen Symbolisten und Mystiker Khnopff. Der Einfluss von Esoterik und Psychoanalyse beförderte die Idee, die kosmische Verortung der Seele durch den Versuch, sie als schwebenden Astralleib malerisch darzustellen.
Die Ausstellung auf der Moritzburg zeigt aus dieser Phase das 1903 entstandene Gemälde „Irrlichter“, dazu drei Kompositionsentwürfe.
Überhaupt zeichnet sich die Ausstellung durch die Präsentation zahlreicher Skizzenblätter beginnend mit akademischen Portraitzeichnungen von 1879 etwa 1890/95 unter Verwendung von Kreuzschraffur und weißer Höhung über immer freier werdende Skizzen zu Körperdetails, Haltung und Komposition, die sich schon früh schließlich ganz von plastischen Schattierungen verabschieden. Was bleibt, sind energische Strichzeichnungen und Muster und Faltenwürfe andeutende Krakellinien oder aber ganz zarte, sensible Strichführungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie „einfach stimmen“ und mit großer Sicherheit und absoluter Professionalität zu Papier gebracht wurden. Vielleicht werden diese empfindlichen Blätter nie wieder in einer Ausstellung präsentiert werden. Es ist also absolut lohnenswert und gar nicht aufschiebbar, wegen dieser Ausstellung nach Halle zu fahren, das übrigens architektonisch auch allerhand zu bieten hat. Ebenso wie die Skizzen lassen auch unvollendete Gemälde wie das von Amalia Zuckerkandl (und weitere in dem wunderbaren Ausstellungskatalog) einen Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers zu. Während viele eher spätere Zeichnungen und auch bereits Illustrationen vor der Jahrhundertwende sehr erotisch und z.T. sexuell freizügig sind, stellt der Maler in seiner langen Reihe weiblicher Auftragsporträts die Damen des reichen Wiener Bürgertums ihrer damaligen Rolle entsprechend als repräsentative hochästhetische Dekorationsfiguren für den häuslichen Salon dar. Seine Schwester Klara malt er 1880 noch realistisch-naturalistisch, das Porträt der Sonja Knips 1898 erinnert ein wenig an die Farbwahl und Pinselführung von Dégas. Nach dem Stilumbruch durch die übrigens 1945 verbrannten Fakultätsbilder entwickelt sich Klimts Porträtmalerei zu einer Mischung aus zeichnerisch fotogetreuen, aber farblich blass mit geröteten Wangen irgendwie esoterisch überhöhten Gesichtern und ausdrucksvollen Händen in mal schwebenden, mal verankerten Haltungen. Den Rest der Körper bedeckt anfänglich noch impressionistisch schleierhaft zartes Gewebe mit Spitzen oder Rüschen wie in dem Bildnis der Marie Henneberg,in der Ausstellung im Original sowie auf Fotografien ihres Ehemanns Hugo Henneberg, der seine Villa mit allen dazugehörigen Jugendstil-Interieurs fotografisch festhielt. Ihm ist ein eigener Raum, der neben keramischen Einzelstücken aus der Villa auch seine Gummidrucke, Radierungen und Farb-Linolschnitte zeigt, gewidmet. Die Villa stand neben anderen stattlichen Gebäuden „Auf der hohen Warte“ wo sich quasi als gemischte Künstlerkolonie im Sinne des Gesamtkunstwerks das Beste des Wiener Jugendstils fand: erstklassige Architektur, passende Gartenanlagen, Inneneinrichtung aus den Wiener Werkstätten und moderne Gemälde u.a. von Gustav Klimt, der in seinen besten Auftragsjahren fast jährlich ein bedeutendes Frauenporträt schuf. Längst nicht alle Aufträge nahm er an. Der seit 1848 im Wien rechtlich gleichgestellten jüdischen Bevölkerung stand er vorurteilslos und aufgeschlossen gegenüber. So waren auch viele seiner Auftraggeber und Förderer jüdische Geschäftsleute. Die Familie Lederer besaß eine beachtliche Klimt-Sammlung, die von den Nazis später eingezogen und ausgelagert wurde. Das Schloss, wohin sie verbracht worden war, fiel in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges den Flammen zu Opfer. Sein Porträt der Adele Bloch-Bauer aus der „goldenen Periode machte noch vor drei Jahren als Raubkunstbild Geschichte, u.a. durch den Spielfilm „Die Frau in Gold“ mit Helen Mirren.
Klimt hatte nie eine offizielle Familie, jedoch mit dreien seiner Modelle vier Söhne und eine überlebende Tochter. Er zog es aber die meiste Zeit vor, im Elternhaus bei Mutter und Schwestern zu leben. Vermutlich könnte er sich so besser der Kunst widmen. Seinen groß angelegten Kunstschauen mit Einladungen an über 200 Künstler aus der K. und K.-Monarchie verdankt eine ganze Generation moderner Maler ihren Weg. Besonders zu nennen sind hier Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Es wäre noch so Vieles zu erzählen.... die Ausstellung in Halle regt auf jeden Fall zu einer intensiveren Beschäftigung mit Klimt, dem Jugendstil und der Arts and craft-Bewegung ein.
Andrea Claussen
"Anlässlich des 100. Todestages des Wiener Jugendstilmeisters veranstaltet das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) 2018 die einzige Klimt-Schau in Europa außerhalb Österreichs. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, und ist die erste große Werkschau zum Schaffen des Künstlers in Deutschland. Sie vereint mehr als 60 Zeichnungen und 10 Gemälde von den akademischen Anfängen des Malers und Grafikers in den 1880er Jahren bis in das Todesjahr 1918.
Eine derart umfassende Präsentation außerhalb von Wien und New York, wo sich die größten Bestände seiner Werke befinden, zusammenzutragen, ist heute aufgrund der Fragilität der Arbeiten und der besonderen Rahmenbedingungen ihrer Ausleihe nur noch mit großen Anstrengungen möglich. Dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist diese Sensation gelungen!" (Text des Museums)
Die Ausstellung auf der Moritzburg in Halle (Saale) ist noch bis zum 6. Januar 2019 zu sehen.
"Skizzen für Irrlichter" und "Studie der Amalie Zuckerkandl" sind Leihgaben von W&K - Wienerroither & Kohlbacher, Wien.