Trost für 25 Milliarden Euro

Oder warum neue Schuhe aus der Sinnkrise helfen

Regiert der schnöde Mammon unsere Welt?Wann haben Sie zuletzt etwas Sinnvolles getan? Was ist überhaupt sinnvoll? Und für wen? Beschäftigt man sich erst ein Mal mit dem Sinn, tauchen unendlich viele Fragen auf. Zuerst:  Gibt es einen „Sinn des Lebens“? Bekanntlich gibt es einen Anfang und ein Ende, aber wo liegt der Sinn? Ist es die Frage nach dem „Warum bin ich“? Am einfachsten war es schon immer, die Antwort auf die Sinnfrage in andere Hände zu legen.

Die Religion kann hier helfen. Allerdings, die Zeit der Aufklärung hat es uns hier schwerer gemacht. Nietzsche hat es so formuliert, dass wir Gott damit getötet haben. Jungfräuliche Geburt und Attentäter, die im Jenseits Jungfrauen als Belohnung bekommen, sind mit vernünftigen Argumenten nicht erklärbar. 20 Prozent der Deutschen haben sich trotzdem für die Variante „Glauben“ entschieden. Der Sinn des Lebens ist mit dem Tod erreicht, wenn man den Regeln brav gefolgt ist. Das ist zumindest tröstlich. Allerdings steht Wellness dort nicht auf dem Programm, der Zeitgeist ist nicht angekommen und der Zahn der Zeit rüttelt an den Grundfesten. Irgendwann überleben sich diese Institutionen, die einen früher, die anderen später. Die ewig Gestrigen.

Sartre sah den Sinn in der Sinnlosigkeit und Absurdität dieser Welt. Für Marx war es der Weg in ein Reich der Freiheit, der Wert eines Menschen könne nicht in seinem Nutzen für andere liegen. Kant, der die Frage in die Philosophie gebracht hat, postulierte, dass diese Frage mit dem Verstand nicht zu lösen sei, das sah auch Schopenhauer so.

Und die anderen? Spaßgesellschaft oder Mammon, sinnspendender Trost beim Shoppingerlebnis. Wellnesstempel und esoterische Selbstfindungskurse sollen ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln. 25 Milliarden Euro Umsatz werden damit in Deutschland jährlich gemacht.

Die Gruppe soll helfen, Freunde sind für viele zum wichtigsten Faktor geworden. Ich habe 55 Freunde bei Facebook. Familie hat wieder einen höheren Stellenwert bekommen. Einige suchen den Sinn mithilfe sinnloser Selbstkasteiungen, sie pilgern nach Santiago de Compostella oder laufen Marathon.

Wenn schon kein Sinn, dann wenigstens nicht allein sein. Brauchen wir Trost, wenn schon kein Sinn in Sicht ist? Oder braucht es überhaupt keinen Sinn? Das Problem ist eher, überhaupt die Frage nach dem Sinn zu stellen, nach dem „Warum“, dem „Woher“ oder dem „Wohin“. Der Film „Per Anhalter durch die Galaxis“ erklärt, diese Frage und die Antwort darauf können nicht in einem Universum existieren, das Universum wäre vernichtet. Die universelle Antwort sei 42, vom Computer exakt errechnet. Bleibt die Frage nach Glück oder dem Streben nach Idealen. Die Gralssuche, der Wunsch nach Macht, ewigem Leben und fortwährender Jugend. Wege in eine ewige Sackgasse.

Ich werde mir wohl doch ein paar neue Schuhe kaufen müssen. Ich weiß nicht, ob das sinnvoll ist, aber wahrscheinlich wird es mir einen kurzen Glücksmoment verschaffen.

Wolfgang Claussen