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Früher war mehr Tatort

Der Weg in das Krimi-Nirwana

Endlich haben wir sie auch, die brutalen Superhelden. Eisenharte Burschen, denen man mit der Eisenstange mehrfach auf den Kopf hauen kann. Das gebrochene Nasenbein generiert allerhöchstens einen brutal stumpfsinnigen Blick.

Auch der an die Schranktür krachende Hinterkopf erschüttert den Hohlraum kaum. Immer noch sind sie in der Lage sinnfreie Einzeiler von sich zu geben. Blutverschmiert retten sie wahlweise einzelne Menschen, Städte oder auch schon mal die ganze Welt. Und Gerechtigkeit - Nase um Nase. "Wir sind ausgerutscht!" Eingesponnen in ein herzzerreißendes Familiendrama, wird auch viel geflennt. Und böse Russen neben pubertierenden Jugendlichen. Da reißt sich die Göre los, um dem Papa bei der Schießerei zur Seite zu stehen, die Kugel erwischt die Mama. Eine muss tot. Rudimentäre Gefühlswelten. Da ist es auch kein Wunder, dass ein Hamburger Innensenator kokst, um sich dann sinnbefreit vom Balkon zu stürzen. Realitätsferne mag im Film ja erlaubt sein, aber der Totalausfall der Intelligenz ist schon schmerzhaft für den Zuschauer. Da hilft es auch nicht, wenn dem „Superstar“ Helene Fischer eine überflüssige Rolle zugeschustert wird. Wenigstens hat sie nicht gesungen.

Früher waren die Tatorte Krimis, in denen ein Fall zu lösen war, meist ein Verbrechen. Scharfsinn war gefragt. Mehr und mehr hat man sich davon verabschiedet. Gefühlsduselige Psychogeschichten mit psychisch deformierten Kommissaren füllen die Krimiabende. Das Ermittlerduo in der Partnerkrise. So richtig, mit Verstocktheit und Rumgemaule. Und „künstlerische“ Langeweile, endlose Flure und sich wiederholende Landschaftsbilder, die nicht selten an der Wurstbude oder im Stehimbiss enden, diesen Orten, an denen die heile Welt noch Pflicht ist. Die Philosophie von Currywurst und Bier. Oder die anspruchsvolle Variante mit Ulrich Tukur, die mit absoluter Inhaltsleere brilliert. Schauspieler, die stümperhaft wirkend sich selbst spielen sollen. Die Kernaussage: Auch Schauspielerkollegen sind keine echten Freunde. Schon gar nicht, wenn sie leicht debil nur mit der Knarre herumfuchteln wollen. Also ihr echtes Ich im Film will das. Dann schon lieber das Nuschelmonster, viel zu reden hatte er ja nicht.

Was den neuen Tatorten jetzt noch fehlt, ist wilder, hemmungsloser Sex nach amerikanischem Vorbild, stöhnend mit Slip, BH und langer Unterhose.

Wolfgang Claussen