Altersarmut - die Bildung wird es richten

Es gibt Geld wie Dreck, es haben nur die falschen Leute

Wer 45 Jahre gearbeitet hat, sollte von seiner Rente leben können. Keine Frage. Wenn aber rund 25% der Deutschen im Niedriglohnbereich arbeiten, ist fraglich, woher die Rente kommen soll.

In Deutschland gibt es 43 Mio. Arbeitnehmer, davon sind 20 Mio. Vollzeitbeschäftigte. Insgesamt verdiente ein Viertel der Beschäftigten 2010 weniger als 9,54€ brutto (Medialohn) pro Stunde, das sind mehr als 7 Mio. Menschen im Land. Der Medialohn ist der mittlere Lohn, eine Hälfte der Beschäftigten verdient mehr, die andere weniger, und das ist auch nur knapp über der Armutsgrenze.

Im europäischen Vergleich liegt der Anteil der Niedriglohnbezieher in Deutschland auf dem zweiten Platz, gleich hinter Litauen.

Bei den Vollbeschäftigten sind es 20% (4,1 Mio.), die unter dem Durchschnitt liegen. Hier ist Deutschland hinter Litauen, Zypern, Großbritannien, Bulgarien und Polen auf dem sechsten Platz.

Unsere klugen Politiker haben sich überlegt, dass durch bessere Bildung die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden sollen. Gebetsmühlenartig wird das ständig wiederholt. Stattdessen, wenn man die aktuelle Lage sieht, ist es so, dass das Absenken des Anforderungsprofils an den Schulen zwar mehr Abschlüsse generiert, das Bildungsniveau aber sinkt. Die Schreibtischstrategen in den Ministerien produzieren laufend neue Ideen, die einzig den Unterrichts- und Verwaltungsaufwand an den Schulen drastisch erhöhen. Doch das Niveau sinkt weiter. Was heißt dann: mehr Geld für Bildung? Will die Bundesregierung die Kosten der Nachhilfestunden übernehmen? In Deutschland gibt es ca. 4.000 Nachhilfeanbieter (inkl. der schwarzen Schafe), Jahresumsatz 1,4 Mrd. Euro. Von zur Zeit 8,3 Mio. Schülern erhalten ca. 20% Nachhilfeunterricht. Schon jetzt bieten Universitäten Kurse an, damit die Schulabsolventen überhaupt in die Lage versetzt werden, ein Studium aufzunehmen.

Mal abgesehen davon, dass 80% der Niedrigverdiener eine Ausbildung haben, bleibt die Frage, wer soll die Arbeit der jetzt in diesem Niedriglohnsektor Arbeitenden übernehmen? Diese Arbeiten müssen ja weiterhin gemacht werden, Kraftfahrer, Frisöre oder Putzfrauen werden weiterhin benötigt werden. Sollen die dann etwa mehr Geld verdienen? Die politischen Diskussionen um den Mindestlohn zeigen recht deutlich: Das ist politisch nicht gewollt. Auch diese Berufsgruppen werden später keine ausreichende Rente bekommen.

Die Rentenbezugsdauer ist seit den 1960er Jahren um 90% gestiegen, das Renteneintrittsalter ist in etwas gleich geblieben. Die Rente wird im Umlageverfahren finanziert. Bei immer mehr Rentnern im Verhältnis zu immer wenigeren Beitragszahlern und der immer längeren Rentendauer kann das nicht mehr funktionieren.

Die jetzigen Niedriglohnbezieher sind die Altersarmen der Zukunft. Von denen zu verlangen, dass sie mehr privat versorgen müssten, ist blanker Hohn. Sie werden nie eine ausreichende Rente bekommen. Das wird auch keine Reform ändern, es sei denn, es würde eine Mindestrente geben. Allerdings, wenn die normale Rente plus Eigenvorsorge dann so gerade die Mindestrente erreicht, wird es auch keine Eigenvorsorge geben. Außerdem werden die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen auf dem jetzigen Stand eingefroren, alle Erhöhungen zahlt der Arbeitnehmer.

Ein weiteres Thema: die Beamten. Beamte beziehen im Verhältnis höhere Pensionen, keine Frage. Ob das jetzt gerecht oder ungerecht ist, ist für die Rentendiskussion überhaupt nicht relevant. Würde man allen Pensionären die Pensionen halbieren, würden die Renten nur unwesentlich steigen. Es gibt 25,5 Mio. Rentner und 1,2 Mio. Pensionäre. Ihr Anteil an den Altersruhegeldbeziehern beträgt gerade einmal 4,7%. Und darunter sind auch die Beamten der unteren Besoldungsstufen.

Eine andere Überlegung wäre doch, dass diejenigen, die mit ihren Niedriglohnempfängern riesige Gewinne einstreichen, stärker an der Finanzierung beteiligt würden. Geht natürlich nicht, gefährdet Arbeitsplätze. Massenweise Arbeitslose würde es geben. Als wenn diese Profitmacher die Arbeiten dann selber machen würden. Lächerlich. Schon vor Einführung des jetzigen Mindestlohns ging ein Heulen und Jaulen durch die Republik. Vom Untergang unseres Wirtschaftsstandortes war die Rede. Die Zahl der Arbeitslosen ist niedrig wie seit langem nicht, selbst nach dem Hinzurechnen der ganzen Arbeitslosen, die seit langem von Seiten der Regierung trickreich herausgerechnet werden, gefälschte Statistiken gibt es ja schon lange. Wer erwirtschaftet eigentlich diese ganzen Gewinne?

Und damit meine ich nicht die Gewinne der Banken, die nur Luftgewinne mit nicht vorhandenem Geld erspielen. Das führt aber zu echten Verlusten, die dann von der Allgemeinheit wieder mit „echtem“ Geld bezahlt werden müssen. Diese Zockerbanden werden aber benötigt, damit unsere Regierenden Milliarden irgendwo versenken können, damit z.B. Pleitestaaten weiter an diesem Riesenrad mitdrehen können.

Das nennt sich systemrelevant, etwas, was stinknormale Arbeitnehmer eben nicht sind. Sie sind Verfügungsmasse, Menschenmaterial, Kostenfaktor. Wo es geht, wird die Produktion in Länder verlegt, wo der Kostenfaktor Mensch niedrig ist, nach Bangladesch zum Beispiel. Der Standort Deutschland ist interessant, wenn sich ausreichend Gewinne generieren lassen oder eine Produktion in den Billiglohnländern nicht möglich ist. Die Näherinnen in Bangladesch werden keine Autos zusammensetzen können. Gut für deutsche Arbeitsplätze.

Oder, wie es Heiner Geißler einst formulierte: „Es gibt Geld wie Dreck, es haben nur die falschen Leute“. Wenn ich das auch so sehe, bin ich dann ein linker Spinner? Machen wir damit nicht auch die Populisten salonfähig?

Wolfgang Claussen