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Das Erdbeermädchen - Einblick in einen Malersommer
Die Autorin Lisa Stromme, 1973 in England geboren und mit einem Norweger verheiratet, entdeckte ihre Faszination für Norwegens berühmtesten Maler erst, als "Der Schrei" für 120 Millionen Dollar versteigert wurde. In ihrem Nachwort erzählt sie von ihren Recherchen und wie es sich ergab, dass ihr Buch die besondere Form annahm, die es letztendlich bekommen hat.
Aus der Sicht der sechzehnjährigen Johanne Lies (Kunstfigur) aus Åsgårdstrand erhält der Leser Einblick in die Ereignisse des Sommers 1893. Als sie zehn war, malte Hans Heyerdahl die kleine Erbeerpflückerin (das Bild gibt es), deren Familie aus dem Kleinbürgertum jedes Jahr ihr Haus mit Fjordblick dem anerkannten Künstler zur Verfügung stellt und selbst in eine der kleinen Fischerhütten zieht.
Der Ort wird zu einer der damals überall aufkommenden Künstlerkolonien. Erwähnt werden auch Krogh und Marthe. Skandalumwittert und von der ortsansässigen Bevölkerung völlig unverstanden, ja verachtet, hält sich auch Edvard Munch für mehrere Sommer dort auf. Ihn und das Erdbeermädchen verbindet eine Seelenfreundschaft, die auf der Tiefe der Empfindung der Natur und der menschlichen Leidenschaften beruht. Er schenkt ihr eine Ausgabe von Goethes Farbenlehre und leitet sie heimlich beim Malen an, überlässt sie dann aber ihrer eigenen Intuition. Die Ölgemälde, welche er in seinem Garten aufstellt, hinterlassen einen tiefen Eindruck bei ihr, während ihr normales Umfeld angeekelt den Blick abwendet. Obwohl sie als Dienstmädchen bei der Admiralsfamilie Ihlen in Borre arbeiten muss, findet sie dann und wann Zeit zum Malen. Der Kontakt intensiviert sich, als Tullik, also Regine Ihlen, ihre Freundschaft sucht und sie deren Vertraute und Liebesbotin in deren Affäre mit Munch wird.
Über die Darstellung der dramatischen und tragischen Liebesgeschichte vermittelt die Autorin Situationen, aus denen heraus der frühexpressionistische Maler mehrere seiner Werke geschaffen haben könnte, unter anderem und vor allem den Schrei. Die Getriebenheit des Künstlers, seine Seelenzustände in Malerei umzusetzen, und die Rolle, welche die Natur dabei spielt, werden meisterhaft sensibel und zugleich spannend und lebendig geschildert. Parallel dazu läuft Johannes zunehmendes Verständnis von Malerei. Jedes Kapitel wird überschrieben mit einem passenden Zitat aus Goethes Farbenlehre, der sich bestimmt Bilder wie die Munchs nicht hätte träumen lassen. Trotzdem hat es den Anschein, als habe er genau für diesen Maler geschrieben.
Ein äußerst lesenswertes Buch!
Heyne-Verlag - ISBN: 978-3-453-41974-2
Andrea Claussen