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Wikingerzeit erleben - ein Besuch im Ribe VikingeCenter
Um auf Spuren der Wikinger zu treffen, muss man zwar als Husumer nicht weiter fahren als Hollingstedt, wo sich im Übrigen der Hafen befand, von dem aus wahrscheinlich die Angeln aufbrachen, um Britannien zu besiedeln. Bekannter ist der Treenehandelsplatz als Endpunkt des Danewerks und Haithabus Verbindung zur Nordsee.
Aber etwa 100 km nördlich von Husum befand sich einer der größten, wenn nicht der größte Marktplatz zumindest der skandinavischen Westküste zur Wikingerzeit und im Mittelalter: Ribe/Ripa, die älteste Stadt Dänemarks. Um 710 n.Chr. bis ins 17. Jahrhundert lag die Stadt noch als schiffbarer Hafen der Ribeau an der Nordsee. Der Weg zur Küste beträgt mehrere Kilometer und die Verlandung im Wattenmeer lässt nur noch kleine Schiffe bzw. Boote bis nach Ribe gelangen. Sturmfluten, Pest und Kriege sorgten für eine Dezimierung und Verarmung der Bevölkerung.
25 km nördlich wurde dann im Jahre 1830 die neue Hafenstadt Esbjerg gegründet.
Trotzdem ist Ribe eine Perle mit seinem wunderbaren romanisch-gotischen Dom und der schönen architektonisch stimmigen Altstadt.
Die Wikingersiedlung des Ribe Vikingecenters lässt den Ort in seiner ersten großen Zeit aufleben. Die an der Stelle sich kreuzender Handelsstreifen (Ripa) entstehende Wikingersiedlung wuchs so erfolgreich, dass der Missionar Ansgar, nachdem er in Haithabu seine erste Kirche gebaut hatte, diesen Ort als zweites Zentrum seiner Christianisierung wählte und 860 die zweitälteste Kirche Nordeuropas dort als Holzbau errichten ließ. Mehreren Holzbauten folgte eine steinerne Basilika, deren Grundmauern einige Meter tiefer liegen als die heutige Stadt und am südlichen Rand des heutigen Domplatzes überdacht worden sind. Bei Ausgrabungsarbeiten dort und auf dem sie umgebenden Friedhof unter dem heutigen Dom und Domplatz wurden über 1000 Fundstücke aus dem achten und den folgenden Jahrhunderten gefunden. 1110 begannen dann die Arbeiten an der romanischen Domkirche mit Granit, rheinischem Tuffstein und Sandstein.
Ansgars Holzkirche mit schönen Schnitzarbeiten wird gerade in diesem Jahr im Wikingerzentrum neu errichtet. Es ist beeindruckend zu beobachten, wie junge Menschen und Familien mit Kindern aus vielen Ländern Europas hier leben und arbeiten. Wikingerfans und Gruppen, die authentische Kleidung tragen, bleiben hier jeweils für etwa 4 Wochen, wenn ihre Bewerbungen angenommen wurden. Sie wohnen in den wikingischen Holzhäusern, wo sie auch kochen und ihrem Handwerk nachgehen. Zwei Schmieden sind in Betrieb, ein Schreiner brachte Kindern das Hobeln an einfachen Hobelbänken bei. Musterfelder veranschaulichen, was der Bauer zur Wikingerzeit anbaute und in kleineren Gärten sind Heilkräuter und Pflanzen, die zum Wollefärben dienten, zu bewundern. Ursprüngliches Vieh, Rinder, Schweine, Pferde und Hühner werden gehalten.
Der Bach, der durch das Gelände fließt, speist den Südergraben von Ribe. Hier werden Boote gebaut und auf einer hölzernen Slipanlage zu Wasser gelassen. Beeindruckend die Holzverbindungen der dorthin führenden Stege. Fischer bauen unterschiedliche Reusen. Eine international bevölkerte Zeltstadt ist gleichzeitig Lager und Markt. Auch hier ist Handwerk zu beobachten: Nadelbinden und Drahtflechten, Silberschmieden und Metallgießen vom Schmuck bis zu kleinen Glocken. Außerdem wurde überall über offenen Feuern gekocht. Je nach Fähigkeit der Re-Enactment-Gäste kann man aber auch Weberinnen, Schuhmacher, Glasperlenmacher und Töpfer bei der Arbeit über die Schulter sehen. Es wurde fast überall Deutsch gesprochen und man durfte fragen, was man wollte. So erfuhren wir auch darüber, was diese lebendige Form der gelebten Alltagsarchäologie an neuen Erkenntnissen zu Tage bringen kann. Zum Beispiel über die Isolierung der Häuser. Darüber könnten Ausgrabungen nichts überliefern. Wir sahen verschiedene Versuche, z. B. mit Flechtwerk und Lehm, auch Moos und Wolle werden möglich gewesen sein. Man experimentiert mit allem, was damals verfügbar war und nicht direkt widerlegt worden ist.
In einem Ringwall, den es dort 980 in ähnlicher Form gegeben hat, finden Anfang August Schaukämpfe als besonderes Event statt. Andere Veranstaltungen sind besondere Märkte, Tage zu den Wikingern und ihren Islandpferden, zur Falknerei oderzum Schaubogenschießen. Sagen und Geschichten, Glaube, Wissen und Lebensweisheit der Wikinger bildeten Schwerpunkte in besonderen Wochen.
Immer sind eigene Aktivitäten möglich, vom Mehlmahlen über Bogenschießen, Schwertkämpfe mit Holzschwertern, Fladenbrotbacken und Münzenprägen zum Holznägelfertigen und Knotenknüpfen. Auch werden Umhänge und Kappen verliehen. Unzählige Spiele dürfen ausprobiert werden, sodass auch bei Kindern keine Langeweile aufkommen kann.
Andrea Claussen