Ein Tag auf Föhr mit dem Rad

Ein Tag, wie er im Buche stand! Spätsommerliches Septemberende, laues Lüftchen, überwiegend Sonne, die einem aber nicht mehr auf dem Pelz brennt. Das Nordseewasser noch 18 Grad Celsius, d.h., angenehm auf beiden Deckseiten der Fähre Norderaue.

Mit den E-Bikes geht es flott an und von Deck. Auf der Promenade muss allerdings geschoben werden. Ein Kaffee mit Strandblick, es ist noch ordentlich Publikumsverkehr trotz Schulzeit und Wochentag. Kurz mal runter zum Sandstrand, ist aber doch niemand mehr im Wasser. Dann am Ende der Promenade bei der alten Post abbiegen und schon die nächste Überraschung: der Park an der Mühle, wo sich früher Tennisplätze befanden. Eine Oase der Ruhe, so abwechslungsreich angelegt, dass sich für alle etwas findet, wo sie Lust haben zu verweilen, zu beobachten, zu spielen und zu lernen. Obendrüber wacht ein Storch von seinem Nest aus und ärgert sich vielleicht, dass die Wasserschildkröten keine Frösche sind. Nebenan liegt ja das Storchenhaus. Im Hintergrund wird der Park optisch links von der Windmühle, rechts von einer wunderschönen Backsteinziegelvilla vom Beginn des 20. Jahrhunderts eingerahmt. Sand- und Natursteinplattenwege führen zu immer neuen Ecken und Winkeln mit sehr ansprechend gestalteten Stauden- und Wildblumenrabatten, Büsche und Bäume geben ebenso eine Mischung aus Nutz- und Ziergarten wieder. Immer wieder fällt das Auge auf eine besonders hübsche Pflasterung, eine kleine oder größere Plastik oder eine schöne Schmiedearbeit. Überall gibt es Bänke oder Sitzgruppen. Besonders die ansehnliche Kräuterabteilung ist gut ausgeschildert: eine Augenweide und Nasenfreude!

Uns aber zieht es weiter, denn wir haben noch andere Anlaufstellen auf dem Zettel. Das Handy-Navi führt uns an schönen Villen vorbei, auch am Friesenmuseum, das wir am Ende der Tour noch besuchen werden. Nun aber geht es erstmal über Wrixum mit seiner schönen Mühle durch die Felder und Wiesen nach Alkersum. Nicht zum ersten Mal erfreut uns der Besuch des Museums Kunst der Westküste (MKdW)! Wieder werden drei verschiedene, aber zueinander passende Ausstellungen geboten und alle Fragen freundlich und aufschlussreich beantwortet. Zudem kann man neuerdings interaktiv mit der App des MKdW auf kuratierte Kunstrouten quer über die Insel gehen, virtuell oder mit dem Fahrrad.

Im Erdgeschoss finden sich Gemälde und Fotografien aus der Sammlung des Museums unter dem Titel “Auf das große Westmeer schauend“. Welche Rolle hat die Nordsee gespielt als Bindeglied ihrer Anrainerstaaten von Norwegen, Dänemark, Deutschland mit der nordfriesischen Insel Föhr bis zu den Niederlanden? Wie sahen die Küsten früher aus und was sollten wir tun, um sie zu schützen.

Per Bak Jensen, Fotokünstler aus Dänemark, unterstreicht mit seinen magischen Naturfotografien in der Schau „Humming Earth“ diese Aufforderung. Beide Ausstellungen bleiben bis zum 14. Januar 2024.

© Museum Kunst der Westküste, Foto: Lukas Spörl Einen absolut faszinierenden und intensiv nachwirkenden Eindruck hinterlassen die Bilder in der Fotoausstellung „Schippermütz und feiner Zwirn – Fide Struck fotografiert Arbeitswelten an der Waterkant 1930-1933“ mit neu entdeckten Arbeiten des Fotografen Friedrich Wilhelm, alias „Fide“ Struck. Die Atmosphäre seiner noch auf Glasplatten gebannten Schwarzweißaufnahmen, die Straße als Spielplatz, Hallen für Fischhandel und Räucherei, Krabbenfischer, Gemüsemarkt, Werft, aber vor allem die Gesichter der Menschen lassen einen so schnell nicht mehr los. „Sie bewegen sich zwischen privatem Erleben, sozialer Reportage und politischem Kontext und bestechen durch ihre ungewöhnlichen Blickpunkte“ (Zitat Infotext in der Ausstellung). 1933 fotografierte Struck in der Hamburger Börse, wo er das Tempo der Transaktionen durch teilweise Bewegungsunschärfen unterstrich. 1933 versuchte die NSDAP die verbotene linke AIZ (Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, siehe John Heartfields Fotomontagen) durch eine äußerlich sehr ähnliche Zeitschrift, die ABZ (Arbeit in Bild und Zeit) zu ersetzen. Hier wurden z.B. Strucks Krabbenfischerbilder als Reportage mit propagandistischen Texten von der Redaktion veröffentlicht. Da der politische Erfolg ausblieb, wurde die ABZ bereits im November des Erscheinungsjahres wieder eingestellt.

1941 hatte Struck etwa 3000 Negative auf Glas oder Film in einem Holzkoffer verpackt, der in der Verwandtschaft weitergegeben und erst 2015 geöffnet wurde. Die sorgsam erstellten Abzüge wurden in ihren originalgetreuen Formaten präsentiert. Bis zum 8. September 2024 wird die Ausstellung noch zu sehen sein.

In Grethjens Gasthof, wo um 1900 die ersten Maler vom Festland während ihrer Sommerexkursionen logierten, kann man wie früher im geschützten Garten, im Winter auch drinnen, gut speisen.

Gestärkt setzen wir unsere Fahrt Richtung Utersum durch Felder und Wiesen fort. Dort haben wir von den Dünen einen herrlichen Blick auf die Nordsee, umrahmt von der Nordspitze Amrums und der Südspitze Sylts. Noch wird am Strand gespielt, aber eine Art Gabelstapler sammelt kontinuierlich die bunten Strandkörbe ein. Die Saison ist, was das betrifft, zuende.

Zurück geht es vorbei an dem 10 Meter hohen Befestigungswall der Lembecksburg aus dem frühen Mittelalter über Borgsum und Nieblum, das wir schon früher einmal besuchten, nach Wyk.

Dort aus Zeitgründen nur ein kurzer Sprung ins Friesenmuseum, Rebbelstieg 34. Das hat aber bei unserem nächsten Besuch mehr Zeit und Aufmerksamkeit verdient. Über Schifffahrt und Walfang, die Seefahrerfamilie Rickmers, Wohnen und Kunsthandwerk gibt es vieles zu entdecken. Uns interessiert dieses Mal vor allem die Gemäldeausstellung zum Bereich Knicklandschaft mit Arbeiten des Hamburger Malers Mathias Meinel (noch bis 29.10.23), der 2019 bereitsein den Norddeutschen Realisten zum Wyker Seebadjubiläum ausstellte. Die Marius-Böger-Stiftung konzipierte die Ausstellung „Knicks- grüne Adern der Kulturlandschaft“ mit eindrucksvollen Fotografien von Klaus Dürkop und Dr. Henning Thiessen.

Zum Schluss wird uns noch eine sonnige Rückfahrt bei ruhiger See beschert. Föhr an einem Tag per Rad war ein voller Erfolg und ist ein guter Tipp, um in kurzer Zeit mal „ganz woanders“ zu sein.

Andrea Claussen