Demenz, eine unvermeidbare Erkrankung infolge des Älterwerdens?

Krank durch medikamentöse Behandlung

Eine gängige These ist, dass Menschen allein dadurch, dass sie immer älter werden, mit bestimmten Erkrankungen zu rechnen haben. Krebs, Diabetes, Herz- und Kreislauferkrankungen gehören dazu, aber auch die Demenz. Bislang ist wenig erforscht, welchen Anteil an dem zunehmenden Auftreten von Demenz die Medikamente haben, die den Senioren in großen Mengen verschrieben werden.

Medikamente haben Nebenwirkungen, das ist bekannt. Es heißt sogar, dass Medikamente ohne Nebenwirkungen auch keine Wirkung hätten.

Das Motto lautet: Inkaufnahme neuer Leiden oder Linderung bestehender Beschwerden. Allerdings steigt das Risiko dement zu werden bei älteren Menschen durch die Wechselwirkungen der Medikamente. Niemand weiß genau, wie ältere, multimorbide (gleichzeitiges Auftreten mehrerer Krankheiten) Patienten zu behandeln sind. Der Projektverbund Priscus (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)) stellt fest: „Die Behandlung, auf die diese Patienten dauerhaft angewiesen sind, geht oft an ihren Bedürfnissen vorbei. Der Grund: Niemand weiß genau, wie eine angemessene Behandlung bei Multimorbidität aussehen müsste. Die Forschung zum Thema Multimorbidität steckt noch in den Kinderschuhen.“

Außerdem sind Ärzte keine Pharmakologen, sie wissen vielfach auch nicht mehr, als die Beipackzettel hergeben. Sie scheinen nicht nur mit den Wechselwirkungen überfordert zu sein, sondern auch mit der richtigen Medikamentenauswahl. Die Priscus-Liste zählt 83 Arzneistoffe auf, die älteren Menschen häufig verordnet werden, ihnen aber nicht verordnet werden sollten, da sie potenziell gesundheitsgefährdend sind.

Dazu zählen neben Schmerzmitteln (Wirkstoff Indometacin) auch Mittel gegen Bluthochdruck, die das Risiko von Depressionen und kognitiven Störungen fördern können. In dem Fall kommen dann Antidepressiva zum Einsatz, die das Risiko von Embolien erhöhen und zu Verwirrtheitszuständen führen können. Das zieht eine Medikation von Antidementiva nach sich, von der allerdings nach derzeitiger Studienlage abzuraten ist.

Bekannt ist auch, dass neu zugelassene Medikamente vielfach keinen oder nur einen geringen Nutzen haben. Aber Nebenwirkungen haben sie alle, das heißt, es können durch nutzlose Medikamente durchaus ernsthafte Schäden entstehen. Für das Marketing geben die Pharmafirmen mehr aus als für die Forschung.

Neue Studien zeigen jetzt, dass auch Mittel gegen Heuschnupfen, Blasenschwäche oder trizyklische Antidepressiva das Demenzrisiko erhöhen. Die Medikamente zählen zu den sogenannten Anticholinergika, die eine Wirkung auf die glatte Muskulatur haben, die Darm und Drüsen umgibt. Wie im Fachmagazin „Jama Internal Medicine“ nachzulesen ist, hatten am Studienende 797 von 3434 Probanden eine Demenzerkrankung, 637 von ihnen erkrankten an Alzheimer.

Es zeigt sich, dass eine genaue Kenntnis dieser Zusammenhänge schon einen gewissen Schutz bieten kann. Besser ist es natürlich, wenn Sie grundsätzlich ein gesundes Leben führen würden. Das schützt auch nicht vor allen Krankheiten, minimiert aber das Risiko.

Wolfgang Claussen