Old Story - Ausstellung mit Welf Schiefer

Welf Schiefer ist 40 Jahre jung und stammt aus Leer, studierte in Hildesheim und wohnt jetzt seit einiger Zeit mit seiner jungen Familie in Hamburg. Elf Jahre war er als freier Künstler tätig und ebenso groß ist die Zahl der Preise und Stipendien, die er bekam.

Das Studium an der Hochschule für angewandte Kunst und Grafik führte Welf Schiefer hin zu feinen Strichen. Von den vier Techniken der Druckgrafik, mit denen er sich auseinandersetzte, wurde der Tiefdruck, die Radierung, seine bevorzugte. In dieser Ausstellung finden sie sich auch, Ätzungen und mehr noch Kaltnadelradierungen, wo der Strich durch direkte Gravur der Platte entsteht. Wer radieren will, muss ein sicherer Zeichner sein. Auf den großen Arbeiten in Mischtechnik erkennt man schon an der Handhabung des Bleistifts die gekonnten Schraffuren des Radierers. Hinzu kommt die Farbe in Form von Aquarell, Acryl und z.T. auch Sprühlack, der dann wieder mit der Radiernadel bewusst verletzt und zerkratzt wird.

Der Sinn für das Skurrile war schon damals bei Welf Schiefer ausgeprägt, denn als Abschlussarbeit nahm er sich den Serienmörder Haarmann zum Thema, den mit dem kleinen Hackebeilchen, und schuf dazu das Künstlerbuch "Warte, warte nur ein Weilchen..."

Moritaten und Bilderbögen gingen schon vor 100 Jahren Hand in Hand und begeisterten ein großes Publikum, weil Liebe, Bluttaten, Katastrophen und Schicksalsschläge einfach damals wie heute große Auflagen.

Stilistisch erinnern seine Werke ebenfalls in Teilen an Vorgänger aus den 1920ern, z.B. die gesellschaftskritischen Grafiken von George Grosz, die Collagen von John Heartfield oder Spielereien mit Zufallsprodukten wie in den Frottagen von Max Ernst. Erinnerungen an kindliche Bildsprache wie bei Klee und Miró werden wach.

Thematisch mag auch der Ausnahmekünstler der niederländischen Renaissance, Hieronymus Bosch, mit seinen visionären Bildern Pate gestanden haben. Schon er, und dann lange niemand mehr, erdachte unglaublich groteske Kombinationen von Figuren aus Mensch, Tier und Lebensmitteln wie Eiern oder Erdbeeren, um die Menschen das Gruseln zu lehren.

Doch bei allen bewusst oder unbewusst angebrachten Reminiszenzen hat Welf Schiefer doch eine ganz eigene starke Bildsprache entwickelt.

Vom Aufbau her handelt es sich bei einem Großteil der Werke um sogenannte Wimmelbilder, das sind Bilder, auf denen der Betrachter nicht von einem großen Motiv geleitet wird, sondern, hat er sich erst einmal auf das Bild eingelassen, von einer Einzelheit zur nächsten gezogen wird. Dabei kann es sich um Einzelfiguren, aber auch um Gruppierungen von Gebäuden, Mensch- und Tierwesen, Fahrzeugen oder Landschaftselementen handeln. Der Künstler bestätigte mir die Vermutung, dass den Besuchern seiner Ausstellungen oft Bildelemente vertraut vorkämen. Er selbst sagte mir auch, dass er meistens einfach an einer Stelle mit einer Idee anfänge und dann seiner Fantasie freien Lauf ließe. Bewusst zeichnet er nicht alle Bestandteile seiner Bildelemente ausführlich zuende. So finden wir neben einem gekonnten Porträt von Meister Lampe, dessen Körper sich in zarten Linien zu verflüchtigen scheint, auch reine Umrisszeichnungen, wie die Leibchen der Gänsekopffiguren. Daneben zwei puppenartige Mädchenköpfe und eine kleine Dreiecksfigur mit einem Jungenkopf, der eine Spitze Kegelnase hat. Die kehrt auf so manchem Bild wieder. Ebenso wie roboter- oder automatenähnliche Körper- und Kopfteile. Nur selten zeigen sich vollständige menschliche Figuren, und auch die sind fast immer verzerrt in Bewegung und Proportion oder anderweitig verfremdet. Wie im Panoptikum. Zudem wirken sie entweder puppenhaft oder muten an wie aus einem Bilderbogen von vor 100 Jahren.

Richtig gruselig sind die hier präsentierten Werke nicht mehr. Seit 2017 ist Sohn Emil da und die Bildwelt hat eine Erweiterung erfahren in Richtung Traumfigur und Spielzeugwelt, bevölkert von bunten Figuren, durchzogen von Wegen, die befahren werden, z.B. von seltsamen Bussen,  ein kleiner Vogel taucht immer wieder auf. Sein Flügel ist mit einer Schraube befestigt. Mechanik, Erinnerungen an aufziehbares Blechspielzeug und Stabilbaukästen.....ein Hut saust an einer Schere hoch, Spiralen und Federn deuten Bewegung an und die Bilder besitzen eine feine Abstimmung zwischen Dynamik und Ruhe. Sie laden dazu ein, Geschichten zu erzählen.

Die Ausstellung ist in den oberen beiden Etagen des Husumer Rathauses zu den Öffnungszeiten noch bis zum 20. März zu sehen.

Andrea Claussen