Buchrezension „Der weiße Schatten und andere Geschichten“ von Daniel Ammann

Der in St.Gallen lebende Autor Daniel Ammann ist Dozent für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Er studierte Anglistik, Pädagogik und Literaturkritik und arbeitet neben Tätigkeiten an der Hochschule als freier Autor, Übersetzer und Kritiker.

Der vorliegende Band erschien Anfang August 2018 als eine Sammlung sehr unterschiedlicher Geschichten beim Schweizer Magoria Verlag.

Für die vorliegende Ausgabe wurden Texte Ammanns aus einem Zeitraum von 1985 bis 2018 bearbeitet. Seine Rolle als Literaturkritiker ironisiert der Autor in der viereinhalbseitigen Satire „Der Leser als Mörder“ ( Bestseller helvetischer Gebrauchsliteratur“, 1989), in dem er das Schweizer Telefonbuch wie einen Kriminalroman interpretiert und bewertet.

Ähnlich verspielt ist der rein aus zum Teil telegrammstilhaften Alliterationen auf den Buchstaben A bestehende Text „Adeles Aufstieg“, der Witz, Fantasie und Sprachgewandtheit in sich vereint und nebenbei durchaus sozialkritisches Potential (me too u.Ä.) in sich birgt.

In diese Richtung zielt auch der jüngste Text „Stimmprobe“/ „Der Sklave der Wikingerin“. Rasanter Aufstieg und bitterer Fall eines Synchronsprechers.

Mehrere Geschichten behandeln das Lebensende von Menschen. Da wäre „Das Bernsteingrab“, wo Ammann die letzten Tage des bekannten amerikanischen Landschaftsmalers Frederick C. Dunn (1829-1895) nachempfindet. In „Der weiße Schatten“ befindet sich ein Mann nach einem schweren und verlustreichen Unfall zwischen Koma und Zu-Sich-Kommen, ein Kampf um die Entscheidung, weitermachen zu wollen. „Letzte Licht“ ist eine Sterbeszene, die etwas Tröstliches und Versöhnliches hat. Während in „Herr Ibis“ irgendwie ein Wahnsinn ähnlich Kafkas „Verwandlung“ anklingt, mit einer überraschenden Wendung und ohne klare Auflösung. Eine wie eine Endlosschleife wirkende Traumszene, psychopathisch und surrealistisch ist „Halt auf Verlangen“  -  eben dieser scheint gerade nicht zu klappen, Kontrollverlust, entstanden durch Lebensangst. ( Ich traf mal einen Mann in Lübeck, der meinte, durch seine Amalgamfüllungen von Außerirdischen gesteuert zu werden.) Durchaus reizvoll.

Die Verführungsszene in „Viola da Gamba“ hat etwas von Thomas Mann in ihrer passiven Leidenschaft, welche den Ich-Erzähler zur Marionette des „erfolgreichen, selbstbewussten“ Freundes werden lässt.

Zuletzt „Caledonia“, eine Liebeserklärung an Schottland, große Authentizität im Detail. Zu dieser Geschichte passt das Coverfoto von Wolfgang Claussen.

Der letzte Text entstand in Zusammenarbeit mit Jürg Seiberth und behandelt die Figur des Schriftstellers Roman Ingold Schuenze, der im 19. Jahrhundert seine eigenen Texte unter mehreren Pseudonymen und auch unter den Namen berühmter Schriftsteller seiner Zeit veröffentlichte.

Insgesamt handelt es sich um ein lesenswertes Bändchen, das in seiner Vielfalt unterschiedlichen  Stimmungen und Bedürfnisse seiner LeserInnen anspruchsvoll nachkommt.

Andrea Claussen

Der weiße Schatten
ISBN 9783952486702